Warum verhindern Sie das Ehegattensplitting für die Homo-Ehe, Herr Dr. Schäuble?

Ich sehe ja ein, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft eine prima Sache für unser Land ist. Die Homos kriegen ein bisschen Romantik und was offizielles in die Hand und sind fürderhin gegenüber Hasimausi oder Schnuffelbärli voll unterhaltspflichtig inklusive Versorgungsansprüchen die über eine Entpartnertung (volksmündlich hier auch gern Scheidung genannt) hinaus reichen. Die Sozialsysteme werden entlastet (auch weil Witwen- und Betriebsrenten erst langwierig gerichtlich erkämpft werden mussten) und es kommen ordentlich Steuern, weil das Ehegattensplitting für die Homo-Ehe einfach nicht gilt.

Noch nicht. Geht es nach dem Willen von Wolfgang Schäuble bleibt das auch so. Es wird aber nicht nach seinem Willen gehen. Jedenfalls nicht mehr lange. Heute schrieb ihm folgenden Brief:
Warum verhindern Sie das Ehegattensplitting für die Homo-Ehe, Herr Dr. Schäuble? weiterlesen

Hingehört: Gaucks Dankesredchen

Ich möchte niemandem das genüssliche Gauck-Bashing verderben – manche haben keine anderen Themen – erlaube mir aber darauf hinzuweisen, dass Joachim Gauck erst am kommenden Freitag, dem 23. März um 9 Uhr zum Bundespräsidenten vereidigt wird und dementsprechend erst nach diesem Datum mit einer Antrittsrede zu rechnen ist.

Was wir heute hörten – und was vielerorts bereits wegen zu starker Orientierung auf die Vergangenheit zerfleddert wird – war ein Dankesredchen. Ihr wisst schon: Das, wo bei den Oskars immer Mom, Dad, der liebe Gott und der Präsident der vereinigten Staaten von Amerika gepriesen werden.

Aber selbst diesen Worten waren bereits wertvolle Fakten die Zukunft betreffend zu entnehmen:

  1. Joachim Gauck wird „niemals, niemals eine Wahl versäumen.“ Schließlich musste er 50 Jahre warten, bevor er endlich frei und geheim wählen durfte.
  2. Joachim Gauck hofft auf eine Annäherung zwischen Regierenden und Bevölkerung und wird an dieser Annäherung nach seinen Kräften mitwirken.
  3. Joachim Gauck wird nicht alle Erwartungen, die an seine Person und seine Präsidentschaft gerichtet wurden, erfüllen können, verspricht jedoch
  4. mit allen Kräften und vollem Herzen ja zu sagen zur Verantwortung, die ihm heute übertragen wurde. Dazu gehöre es auch, sich neu auf Themen, Probleme und Personen einzulassen um gemeinsam Antworten auf die Fragen zu finden, die uns heute in Europa und in der Welt bewegen.

Da fällt mir auf: Das ist wirklich nicht viel. Das ist eigentlich nur:

  1. Ja, ich mach’s. Und
  2. Ja, ich bin offen.

Aber immerhin: Daran ist nichts zu beanstanden. Wir sollten ihm 100 Tage Zeit geben, finde ich. Oder wenigstens bis Freitag?

Die vollständige #fragreg-Twitterview-Nachlese

Statt der geplanten 30 hat sich Regierungssprecher Steffen Seibert 41 Minuten Zeit genommen, die Fragen der Bürger zu beantworten. Natürlich nicht alle. Das war auch nicht nötig.

Fragen wie “Welcher Bundestagsabgeordnete fährt den dicksten Sportwagen?” oder “Wie war das damals wirklich mit Kennedy?” überliest wurden dankenswerterweise geflissentlich überlesen. Trolle gehören zum Netz, das wird auch Herr Seibert begriffen haben. Ich fremdschäme mich trotzdem manchmal für Sie. Um Himmels Willen also bloß nicht füttern!

Andere durchaus spannende Fragen blieben leider ebenfalls unbeantwortet, zum Beispiel die nach der von Deutschland immer noch nicht ratifizierten UN-Anti-Korruptions-Richtlinie oder alles zum Thema Netzneutralität. Das ist schade, konnte aber niemanden überraschen, der das Foto gesehen hatte, das Seibert mit zwei Fingern tippend übers iPad gebeugt zeigte.
Die vollständige #fragreg-Twitterview-Nachlese weiterlesen

Trommelwirbel: 30 Minuten Volksnähe 2.0

Twitter-Gründer Jack Dorsey ist gerade in Berlin gelandet und hat noch auf dem Flughafen knackig verkündet, wofür:

“Just landed in Berlin for a visit with Chancellor Angela Merkel. I’ve been wanting to meet her for a while: the world needs her on Twitter.”

Dorsey will Merkel dazu überreden, sich ein Twitter-Konto zuzulegen und künftig nicht mehr nur permanent vertrauliche SMS ins Girls-Camp zu schicken sondern – zack, zack! – brisante Polit-Tweets in die Welt.

Wahrscheinlich würde er das Nutzerkonto der mächtigsten Frau der Welt als eine Art Ritterschlag des alten Europa empfinden, in jedem Fall wäre es prima Publicity und eine Chance mehr, Twitter noch öfter in die Hauptnachrichten zu hieven.

Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert firmiert seit Anfang letzten Jahres unter dem Kürzel @RegSprecher auf Twitter und hat anlässlich des hohen Besuchs ein ganz spezielles Pastetchen gebacken: Ein Twitterview – richtig, ein Interview auf Twitter.

Vor nicht ganz 24 Stunden schrieb er:

„Ich lade Sie morgen ab 11.30 Uhr zu meinem ersten Twitterview ein: Stellen Sie mir Ihre Fragen live unter #fragReg – ich freue mich darauf.“

Super, alles klar! Obwohl: Soll ich die Frage jetzt schon stellen oder erst um 11.30 Uhr?

Und wen frage ich eigentlich?

  • Sie, lieber Steffen Seibert, zum Status ihrer guten Vorsätze für dieses Jahr, Ihrem aktuellen Lieblingsbuch und dem Befinden der werten Ehefrau,
  • Sie, geehrter Herr Regierungssprecher, zu Ihren lustigsten Anekdoten aus dem Arbeitsalltag, Ihrem persönlichen Verhältnis zur launigen Chefin und dem rauen Arbeitsklima im Bundespresseamt,
  • Oder gar Sie, hochgeachtete fleischgewordene Bundesregierung zu Spritpreisen, Eurostabilität und der unterdrückten Islamdebatte?

Und Sie, wie wollen Sie antworten? Zu komplexen Interessenskonflikten bei der Energiewende, zum hochphilosophischen bedingungslosen Grundeinkommen, zur emotional aufgeladenen Frauenquote: Kurz und knackig in 140 Zeichen?

Oh, vielen Dank, das wird unser Land so viel besser machen: Die klaren Aussagen, die einfache Sprache, die neue Volksnähe und Alles!

Immerhin nehmen Sie sich ja 30 Minuten Zeit, jawohl.

Ein Radiointerview über Veganismus, Sexismus & PR. Richtig! Über PETA.

Tom Bond, Radiomacher bei  Corax – dem freien Radio im Raum Halle – hat sich über PETA’s jüngste “Veganer sind brutale Lustmolche”-Kampagne wohl genauso geärgert wie ich. Auf der Suche nach weiteren Informationen und Meinungen zum Spot und der dazugehörigen Website ist er auf einen Blogbeitrag von mir gestoßen. Darin veröffentliche ich die Stellungnahme, die mir PETA auf meine Fragen zur Kampagne und meinen Protest dagegen zur verfügunggestellt hat.

Tom bat mich daraufhin um ein Interview für’s Radio. Nachdem sich meine anfängliche Panik gelegt hatte und ich mich darauf besann, dass sich Menschen wie Hather de Lisle schließlich sogar in Fernsehtalkshows als Expertin betiteln lassen, fasste ich mir ein Herz.

Sind wir nicht alle ein bisschen „Hersteller von Presseerzeugnissen“?

Dass der Koalitionsausschuss der Bundesregierung gestern beschlossen hat, dem Drängen der Zeitungsverlage auf eine Zwangsprämierung der Weiterverwendung ihrer Inhalte im Netz nachzugeben, wurde bei Niggemeier, Netzpolitik und Co. ja bereits mit gebührender Empörung breitgetreten. Der Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht wird offiziell erarbeitet, ist inoffiziell längst fertig und wird unter der Hand als quasi längst durchgedrückt gehandelt.
Sind wir nicht alle ein bisschen „Hersteller von Presseerzeugnissen“? weiterlesen

Beate Klarsfeld: 10 Sätze zu Amt und Würden

In zahlreichen Blogs wird derzeit bedauert, dass Beate Klarsfeld keine ernstzunehmenden Chancen hat, erste Bundespräsidentin dieses Landes zu werden. Nachdem ich der Pressekonferenz der Linken mit gespitzten Ohren gelauscht habe, glaube ich, dass sie selbst andernfalls überhaupt nicht angetreten wäre: Klarsfeld lebt seit 52 Jahren in Frankreich und hat in den letzten Jahrzehnten an den öffentlichen Debatten Deutschlands überhaupt nicht teilgenommen, was man ihren Äußerungen auch deutlich anmerkt.
Beate Klarsfeld: 10 Sätze zu Amt und Würden weiterlesen

Geduldsprobe: Deutscher Meister im Aussitzen

Die Rebellion der Leitmedien bekommt trotzige Züge und die Empörungswelle im Netz treibt seltsame Blüten, beispielsweise in Form von Korruptionsvorwürfen als Sammelbildern. Beim Bäcker um die Ecke rollt man mit den Augen, wenn die Radiosprecherin den nächsten Vorwurf gegen Bundespräsident Wulff enthüllt und findet, dass es nun wieder gut sein muss.

Nein, muss es nicht. Darf es nicht. Wird es nicht. Nicht so lange wir finden, dass ein Bundespräsident gebraucht wird.

Geduldsprobe: Deutscher Meister im Aussitzen weiterlesen

10 Sätze: Warum wir nicht alle Christian Wulff sind

Ein Mann finanziert sein Häuschen so günstig wie möglich, er freut sich, wenn er business class fliegen darf, obwohl er nur economy gebucht hat und wenn ihn Freunde zu Urlauben nach Florida, Italien oder Griechenland einladen, nimmt er händeklatschend an.

Würden wir das nicht alle? Wahrscheinlich würden wir, es sei denn, wir wären eine politische Person.

Wegen schlechter Erfahrungen mögen wir es nicht, wenn Politiker Geschenke von Unternehmern, Aufsichtsräten oder Konzernchefs annehmen. Wir wollen, dass der Wille des Volkes und der gesunde Menschenverstand die Basis für politische Entscheidungen bilden und etwa nicht persönliche Sympathien, denen durch geldwerte Vorteile womöglich nachgeholfen wurde.

Wir sind ein bisschen naiv was das angeht und auch ein bisschen empfindlich, aber Korruption, Bestechung und alles was danach riecht, wollen wir nicht haben. Im Gegenteil mögen wir politischen Idealismus und moralische Integrität, weshalb wir dem politischen Betrieb in unserem Land ein Amt vorangestellt haben, dessen Aufgabe es ist, genau diese beiden Tugenden zu repräsentieren.

Ein Amt selbst kann freilich keine Würde haben, der der es ausfüllt, muss sie ihm verleihen.

Gelten für einen Bundespräsidenten also höhere moralische Maßstäbe als für Privatpersonen?

Selbstverständlich und zwar aus guten Gründen.

Kurz & knapp: Sozialwahl 2011

Ein Kreuzchen zu machen wenn ich darf ist für mich das absolute Minimum politischen Engagements, weshalb ich dieser oft beschworenen Bürgerpflicht bisher stets brav nachgekommen bin. Als ich heute den Wahlzettel zur Sozialwahl 2011 aus meinem Briefkasten nahm, erschien es mir jedoch plötzlich überaus attraktiv, mit dieser guten Angewohnheit zu brechen.

Denn obwohl die Werbetrommeln bis zur Materialermüdung geschlagen wurden, wusste ich praktisch nichts über diese ominöse Abstimmung, vom schmissigen Slogan “Zukunft wählen.” mal abgesehen. Da mir Siegmar Gabriel aber kürzlich relativ überzeugend erklärte, dass das Verstehen von Politik auch eine Hohlschuld des Bürgers umfasst, habe ich mich zähneknirschend auf den Hosenboden gesetzt und recherchiert. Mit folgendem Ergebnis:

Die Sozialwahl betrifft die Selbstverwaltungen der Deutschen Renten- und Krankenversicherungen. Diese Gremien entscheiden über die Geschäftspolitik der jeweiligen Organisation, also beispielsweise der Deutschen Rentenversicherung, der Barmer GEK oder der DAK. Sie beinflussen die Tarifmodelle der Kassen, bestimmten über die Einführung von Bonusleistungen für die Versicherten und haben auch bei der eventuellen Erhebung von Zusatzbeiträgen ein Wörtchen mitzureden. Diesen Einfluss machen sie zum Beispiel geltend, indem sie den Vorstand der jeweiligen Organisation wählen und kontrollieren oder Satzungen formulieren und beschließen. Die Selbstverwaltungen bestehen zur Hälfte aus Versicherten-Vertretern und zur anderen Hälfte aus Arbeitgeber-Vertretern, was damit begründet wird, dass die sich ja auch die Beitragslast teilen. Zumindest noch.

Aller sechs Jahre dürfen die Versicherten ihre ehrenamtlich arbeitenden Vertreter neu wählen. Diese Wahl kostet runde 48 Millionen € was besonders deshalb bitter ist, weil durchschnittlich nur etwa 30% der Wahlberechtigten ihr Kreuzchen setzen. (Quelle)

Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die Bewerbung des bloßen Stattfindens der Wahl dass PR-Budget offenbar völlig aufbraucht, so dass zur Bewerbung der Kandidaten und ihrer Inhalte leider kein Geld mehr zur Verfügung steht. Mit etwas gutem Willen, lässt sich jedoch ein PDF auftreiben, in dem sich die zur Wahl stehenden Listenvertreter kurz und mittelmäßig prägnant vorstellen. Dieses möge Interessierten oder Pflichtbewussten beim richtigen Setzen ihres Kreuzchens behilflich sein. Falls nicht, setzte man sein Kreuz irgendwo und verlasse sich auf die Richtigkeit der Behauptung, dass eine höhere Wahlbeteiligung auch zu gesteigertem Einfluss der Gremien führen würde.

Dieser ist nämlich wegen des Verdachtes akuter Verfilzung recht umstritten, wie unter anderem im Sudelbuch nachzulesen ist.