Über dem Shoppen vorangezwungene Pausen

Ich bin stehengeblieben, um zu glotzen, zu staunen und zu fotografieren; anderen war es keinen flüchtigen Blick wert. Vorm Laden von Bershka im Alexa Shopping Center in Berlin steht eine Schlange von circa 40 Personen, die darauf warten, eingelassen zu werden. Ich war noch nie in einem Bershka-Laden, vielleicht sind die besonders. Und bestimmt gäbe es keine Schlange, wenn nicht Pandemie wäre. Aber trotzdem:

Wie muss man als Person 39 und 40 drauf sein? Wie übersteht man die, ich weiß nicht, 15 oder vielleicht 20 Minuten in der Schlange, ohne vom Eindruck der eigenen Beknacktheit überwältigt zu werden und sich elegant aber zügig wieder in den Strom der am Laden Vorbeieilenden einzureihen und zu verschwinden? Wie kann man es schaffen, in dieser dem Shoppen vorangezwungenen Pause nicht innerlich einzukehren und zu sich zu kommen? Zu reflektieren über Sinn oder Unsinn des anstehenden Konsums, wenn nicht gar der eigenen Existenz?

Schlangestehen vorm Bershka-Store
Schlangestehen vorm Bershka-Store

Brauche ich, was ich in Begriff bin zu kaufen? Was können die beiden löchrigen Jeans-Shorts die in meinem Schrank aufeinander liegen nicht, dass die dritte löchrige Jeans-Shorts, die ich gleich kaufen werde können kann? Ist das, was ich in Begriff bin zu kaufen gut? Ist es nachhaltig? Und wenn nicht: Ist nicht-nachhaltig wirklich immer noch eine akzeptable Option? Ist es seinen Preis wert? Zahle ich, was es wert ist oder möglicherweise wesentlich weniger? Und wenn ich weniger bezahle, als es wert ist, wer bezahlt dann die Differenz? Und wer verantwortet das? Hat das Produkt eine gute Qualität? Will ich überhaupt gute Qualität? Was stimmt nicht mit mir, wenn mir gute Qualität eigentlich egal ist, solange es billig ist und gut aussieht?

Solche Fragen. Ich könnte die nicht vermeiden. Und ich könnte die Antworten nicht aushalten. Und müsste weitergehen.

Die Menschen in der Schlange vermeiden die Fragen recht erfolgreich. Sie stehen, meist in Paaren und unterhalten sich, oder sie stehen allein und telefonieren, oder sie schlürfen am Iced Latte im Plastikbecher in ihren Händen, schimpfen mit fremden Mitwartenden darüber, was zur Hölle denn bloß so lange dauern könnte.

Oder sie glotzen auf ihre Smartphones. Instagram. Hashtag #outfitoftheday.