Geduldsprobe: Deutscher Meister im Aussitzen

Die Rebellion der Leitmedien bekommt trotzige Züge und die Empörungswelle im Netz treibt seltsame Blüten, beispielsweise in Form von Korruptionsvorwürfen als Sammelbildern. Beim Bäcker um die Ecke rollt man mit den Augen, wenn die Radiosprecherin den nächsten Vorwurf gegen Bundespräsident Wulff enthüllt und findet, dass es nun wieder gut sein muss.

Nein, muss es nicht. Darf es nicht. Wird es nicht. Nicht so lange wir finden, dass ein Bundespräsident gebraucht wird.

Was Christian Wulff noch nicht begriffen hat ist, dass es nicht um das Aussitzen einer unangenehmen Flut undurchsichtiger Affären geht, bei deren Versickern die Zeit für ihn arbeitet. Es geht um das Aussitzen seiner kompletten übrigen Amtszeit. Der Wutspielgel wird immer wieder ansteigen, sobald es der Pro-Forma-Präsident wagen sollte, vor ein Mikrofon zu treten. Zurecht.

Denn: Was kann dieser Bundespräsident noch wollen? Wann könnte man ihn noch ernst nehmen?

Wenn er zu Bescheidenheit aufruft, nötige Einschnitte der Euro-Krise wegen erklären will oder mehr freigiebige Nächstenliebe fordert? Wenn er sich mehr Zivilcourage wünscht, mehr Engagement oder mehr Ehrenamt? Wenn er für Offenheit eintritt, für Transparenz, für Ehrlichkeit? Traut man diesem Präsidenten moralische Bedenken gegenüber irgendeinem denkbaren Gesetzentwurf zu? Kann man sich Widerworte aus seinem Mund vorstellen oder gar, dass er eine Unterschrift verweigert? Gelächter!

Diesem Bundespräsidenten bleibt nur ein Thema, zu dem er einigermaßen glaubhaft predigen könnte: Offenheit gegenüber dem Islam und nötige Anstrengungen auf dem Weg zu einer Integrationspolitik, die mehr als nur assimilieren will.

Aber weil das das einzige Terrain wäre, auf dem er sich noch ohne Hohn und Spott bewegen könnte, wäre man geneigt, ihm hier Verlegenheit statt flammender Überzeugung zu unterstellen.

Christian Wulff ist kein Bundespräsident mehr. Bleibt er im Amt, müssen wir bis 2015 leider ohne auskommen.