Ferkelkastration: Das Wohl des Tieres hat Priorität. Ab 2017.

Im Grunde ist die gestern im Bundeskabinett beschlossene Reform des Tierschutzgesetzes eine gute Nachricht. Auch, weil damit die betäubungslose Kastration von Ferkeln in Deutschland endlich verboten wird. Allerdings nicht sofort. Auch nicht mit Beginn des nächsten Jahres. Sondern 2017.

Vermeidung von Ebergeruch am Schlachtkörper

Sinn und Zweck der Kastration ist es, den sogenannten Ebergeruch zu vermeiden, der sich bei 10 bis 50 Prozent der männlichen Schweine mit eintreten der Geschlechtsreife entwickelt. Oder einfacher formuliert: Die Verbraucher mögen es nicht, wenn Schweinefleisch nach Schwein riecht. Deshalb darf es das nicht.

38 Kastrationen pro Minute

Und weil das so ist, schneidet man den Ferkeln einfach die Hoden ab. In Deutschland 20 Millionen mal im Jahr, also bei 38 Ferkeln in jeder einzelnen Minute. Dauert ja auch nur ein paar Sekunden, denn in aller Regel erfolgt die Operation ohne schmerzlindernde Medikamente davor, danach oder währenddessen. Selbst das Wort “Operation” ist beschönigend, wovon man sich hier überzeugen kann. Oft wird die Wunde nicht einmal desinfiziert. Das ist laut § 5 Abs. 3 Nr. 1a des bisherigen Tierschutzgesetzes auch völlig in Ordnung ist. Solange das Ferkel noch keine acht Tage alt ist. Danach geht das nicht mehr, was verstehe wer wolle.
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Volkseigentum Kunst? Mir fehlt die Fantasie, Piraten!

Ich würde den Piraten so gerne auch ein euphorisches Ahoi! entgegenrufen. Ihre Idee, den Zugang zum Internet zu einem Grundrecht zu erklären, finde ich großartig. Regelrecht verliebt bin ich in ihre queeren Gedanken zur Familienpolitik. Beispielsweise den, künftig keine Lebensgemeinschaften mehr zu fördern sondern Kinder. Außerdem habe ich ein ausgeprägtes Faible für Schrulligkeit.

Doch leider kentert mein fröhliches Ruderboot zum glitzernden Piratendampfer in der hohen Welle, die den Begriff “geistiges Eigentum” verwässern will. Die Diskusion wird breit geführt, aber im Grundsatzprogramm steht:

“Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines Werkes in erheblichem Maße auf den öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit.”

Bedeutet das im Klartext, dass nur Kaspar Hauser einen Roman schreiben darf, der wirklich ihm gehört? Volkseigentum Kunst? Mir fehlt die Fantasie, Piraten! weiterlesen

Steuer-Splitting für Homosexuelle kommt ohne Schäubles Segen

In einem offenen Brief bat ich Bundesfinanzminister Schäuble mir zu erklären, warum genau er die steuerliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe zu blockieren versucht, obwohl sich seine Länderkollegen bereits darauf verständigt hatten.  Erwartungsgemäß antwortete er mir nicht selbst und wenig überraschend erhielt ich keine persönliche Antwort, in der auch nur im Entferntesten auf meine (großartigen!) Argumente eingegangen würde. Sondern folgende:

“… ich bedanke mich für Ihre offenen Worte. In der Sache, also zur Stellung der Lebenspartner im Einkommensteuerrecht, ist das Bundesfinanzministerium öffentlich positioniert (siehe beigefügter Link; BT-Drs. 17/3009, S. 6, Antwort zur Frage 12).

Die Bundestagsdrucksache mit der Position des Bundesfinanzministerium können Sie gerne über den beigefügten Link einsehen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/030/1703009.pdf.

Unserem Haus ist es von besonderer Bedeutung, zunächst den Ausgang der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren abzuwarten (2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07).  “

Für alle, denen gerade nicht der Sinn danach steht, sich in das 12-seitige PDF zu vertiefen hier eine Zusammenfassung der relevanten Punkte:
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10 Sätze zu meinen Waffeninvestments

Das peinliche ist: Ich bin vom Fach und der Mann, der mir meine Altersvorsorge verkauft hat ebenso. Obendrein ist er mein Freund. Wir hatten keine Ahnung, aber den rührend naiven Gedanken, dass eine Altersvorsorge beim ausgezeichneten Testsieger DWS eine gute Idee sei. Wie mir heute die freundlichen Damen und Herren vom Deutschlandfunk geduldig erklärten, ist dem nachweislich nicht so:

Mit meinen piefigen Beiträgen zur Riesterrente investiere ich nämlich in den DWS Vorsorge Dachfonds, der davon Anteile des Global Equity Alpha Fonds der Axa Rosenberg kauft, der wiederum ein dickes Aktienpaket an der Firma L-3 Communications hält, die zu den Top-Drei-Herstellern von Streumunition und Streubomben gehört.

Verkürzt formuliert sichere ich mir also eine sorgenfreie Zukunft, in dem ich die Zukunft anderer Menschen, beispielsweise jene achtlos spielender Kinder im Libanon, durch das Zerfetzen unterschiedlicher Gliedmaßen ruiniere, oder abhängig von der Größe der jeweiligen Explosion ganz und gar streiche.

Die mir zustehenden staatlichen Zulagen, für deren Bereitstellung ich auch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser meinen herzlichen Dank ausdrücken möchte, investiere ich ebenfalls in diese Firma. So kann ich mir die Spitzenrendite sichern die ich brauche, damit mir auch im Alter genügend Geld zur Verfügung steht, beispielsweise um weiterhin für gemeinnützige Organisationen wie Handicap International spenden zu können.

Oder um damit eines Tages eine Stiftung zu gründen, die sich der Therapie schwerwiegender Persönlichkeitsstörungen bei Fondsmanagern widmet.

Seelenlose Idioten!

Pack die Kettensäge weg!

Ron hat in seinem Beitrag vollkommen richtig auf drei grundsätzlich Fragen verwiesen und ohne Zweifel mag die Kettensäge für verwilderte Bäume ein adäquates Werkzeug sein, allerdings bezweifele ich die Angemessenheit im Zusammenhang mit Einkommensumverteilung oder Restrukturierung unseren politischen oder wirtschaftlichen Systems. Ich will es an zwei der drei Themen verdeutlichen, die Ron bereits diskutierte.

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Mit der politischen Kettensäge gegen Wildwuchs: Ein Ausweg?

Alex’ ausführliche Analyse vom Donnerstag, gibt viele Antworten und Einblicke. Aber sie wirft auch Fragen auf. Und zwar sehr grundsätzliche:

1. Warum ist Umverteilung so schwierig?
2. Wer ist der Staat?
3. Wer oder was ist die EU?

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Die Dreifaltigkeit politischer Irrwege

Das Hauptargument in Rons Artikel von letzter Woche ist, dass Strukturprobleme in unserer Wirtschaft dazu führen, dass Kapitaleigner sich durch wildes Spekulieren an den Kapitalmärkten bereichern. Und dass beim Kollaps der Steuerzahler die Verluste kompensiert.  So sehr wie ich mit diesem Argument übereinstimme, muss ich doch auch ein wenig auf gewisse Annahmen hinweisen, welche in Rons Argumentation getroffen werden. Zunächst  fußt die Argumentation auf nationalen, binneneuropäischen und internationalen Problemen, welche im entsprechenden Kontext diskutiert werden müssen. Deshalb möchte ich mich ein wenig mehr analytische Trennschärfe bemühen.

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Ein Irrweg als Wachstumspfad

Gestern erklärte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle die Weltwirtschaftskrise für beendet. Er sieht “Deutschland wieder auf dem Wachstumspfad” und bemühte sich, im Bundestag  allgemeinen Optimismus zu verbreiten.

Mir wurde beim Lauschen dieser Nachrichten aus einer Parallelwelt ein bisschen flau im Magen, und der linke Chefvolkswirt Michael Schlecht erklärte mir im gestern erschienen Freitag sehr eindrücklich warum. Dass es – Krise hin, Krise her – ziemlich schwerwiegende strukturelle Probleme in unserer Wirtschaftsordnung gibt, ist mir schon eine Weile klar. Dass sich diese aber auf so einfache Kernthesen herunterbrechen lassen nicht.

“Ohne Umverteilung von oben nach unten wird es keine höhere Binnennachfrage und kein höheres Wachstum geben.”

erklärt Schlecht, und arbeitet weiterhin heraus, wie wichtig es daher ist, mehr Geld von den Konten der Reichen in die Geldbörsen der Geringverdienenden umzuschichten.

Ja, das klingt auch in meinen Ohren ziemlich linksnaiv und viel zu einfach. Deswegen muss es aber nicht prinzipiell falsch sein. Unbestritten ist nämlich, dass Geringverdiener ihr Geld tatsächlich ausgeben, während Sehrgutverdiener Anlagen und Vermögen mit ihrem Geld aufbauen, da sie unmöglich alles ausgeben können. Für den Staat (und obwohl mich das beim Schreiben gruselt: der sind wir ja alle) ist es besser, wenn sich Geld herumtreibt als still – wenn auch gemächlich wachsend – in irgendwelchen kontobenummerten Häfen zu ankern.

Dass das Strukturproblem nach wie vor besteht, sehen wir gerade am Hilferuf aus Griechenland. Besonders deutlich, wenn wir uns die lukrative Staatsanleihe ins Gedächtnis rufen, die Griechenland im Januar emittiert hat. Staatsanleihen sind nichts anderes als Kredite, die Staaten bei Anlegern aufnehmen. Je nach wirtschaftlicher Lage des Staates muss dieser hohe oder niedrige Zinsen an die Anleger zahlen, damit die ihr gerade nicht in Umlauf befindliches Geld rausrücken. Steht das Land verhältnismäßig solide da, trauen sich mehr Anleger zu investieren, und das Land muss niedrigere Zinsen zahlen. Ist der Staat hoch verschuldet oder instabil, taugt die Anleihe nur für Zocker, die ein höheres Risiko in Kauf nehmen können. Es trauen sich weniger Anleger zuzugreifen, und der Staat muss einen fetteren Zinsköder auslegen.

Die Anleihe, die Griechenland im Januar verkaufte, um sich von Anlegern 8 Mrd. Euro zu borgen, bot einen Zins von 6,3 Prozent. Das ist etwas mehr als doppelt so viel wie Deutschland Anlegern derzeit für Geld bezahlen muss. Im ersten Moment klingt das sehr lukrativ. Im zweiten Moment sollte man neben dem Wohlklang der hohen Zinsen aber auch die Alarmglocken läuten hören. Oberste Bänkerwahrheit seit Erfindung des Bankwesens ist nämlich: Ein hoher Zins bedeutet immer ein hohes Risiko. In dem Fall: Wenn der Staat bankrott geht, sind nicht nur die Zinsen futsch sondern auch das Kapital, das sie erwirtschaften sollte. Und obwohl das Risiko beim bis zum Schopf in Schulden versunkenen Griechenland sehr hoch ist, haben sich die Anleger offenbar darauf verlassen, dass der Bankrott nicht eintreten wird. Die Nachfrage nach der Anleihe war dreimal so hoch wie das Angebot.

Gestern dann der Hilferuf aus Griechenland. Sehr wahrscheinlich werden die Euroländer und der Internationale Währungsfond den maroden griechischen Karren mit günstigen frischen Krediten aus dem Korruptions- und Schuldensumpf ziehen. Genau darauf haben die mutigen Anleger schon im Januar gewettet.

Im linken und zugegeben stark verkürzten Klartext bedeutet das: EU-Steuerzahler sorgen dafür, dass Anleger, die soviel Geld haben, dass sie zumindest mit einem Teil davon wild spekulieren können, die ihnen versprochene fette Rendite auch wirklich bekommen.

Die EU wird Griechenland nicht bankrott gehen lassen. Die 6,5% Zinsen werden den Anlegern gezahlt. Das falsch zu finden, ist nicht so einfach wie es scheint. Denn das hier ist kein Brettspiel. Die Menschen in Griechenland bekommen den harten Sparkurs ihrer Regierung sehr deutlich zu spüren. Beispielsweise in Form von Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor, massiver Reduzierung der staatlichen Leistungen, die ja in den allermeisten Fällen Sozialleistungen sind und einem rigorosen Zusammenkürzen der staatlichen Investitionen. Ein Staatsbankrott würde diese Einschnitte nur noch wesentlich tiefer Ausfallen lassen und natürlich am Härtesten diejenigen treffen, die ohnehin schon wenig haben. Das möchte niemand verantworten. Auch deshalb nicht, weil es keine erprobte Antwort auf die Frage gibt, wie es denn nach einem Staatsbankrott mit Griechenland und auch mit der übrigen EU weiterginge.

So gesehen ist Griechenland kein Spekulationsobjekt und darf freilich nicht als solches behandelt werden. Ein Land und eine Staatengemeinschaft aber, in der es möglich ist Geld zu verdienen, indem man darauf wettet, dass Menschen in Not geholfen wird, ist bestimmt nicht auf einem Wachstumspfad. Sondern auf einem Irrweg.

Schlampige Recherche bei Spiegel Online?

Sicher ist es naiv. Aber ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass das was ich in etablierten Publikationen wie dem Spiegel, der Süddeutschen Zeitung oder der Financial Times Deutschland lese zumindest zum Großteil der Wahrheit entspricht. Der am 08. April auf Spiegel Online erschienene Artikel über die Noa Bank jedoch stellt diese Vermutung verblüffend in Frage. In dem Artikel, um den bereits die letzen beiden Beiträge meines Blogs kreisen, behauptet Autor Günter Heismann über die gerade in die Noa Bank eingegliederte Quorum AG:

Im “Deutschen Factoring-Portal” schildern Blogger, wie das Unternehmen Kunden über den Tisch gezogen haben soll.

Auf der Website des Deutschen Factoring Portals heißt es dazu bereits einen Tag später:

Die Behauptungen des Artikels bei Spiegel-Online oder anderen Blogs und Informationen, der sich auf das Deutsche Factoring-Portal bezieht, wurde von dem jeweiligen Autor definitiv falsch recherchiert. Es wurde auf dem Deutschen Factoring-Portal NOCH NIE etwas, und schon gar nicht negatives, über die Noa Bank oder die Quorum AG behauptet und diskutiert. Dies wird auch in Zukunft so bleiben. Schon gar nicht, wie behauptet, von anderen Bloggern.Das Deutsche Factoring-Portal dient einzig und allein dafür über Factoring zu informieren und direkte Kontakte zu hier gelisteten Factoring-Unternehmen herzustellen. Nicht mehr und nicht weniger.

Für Spiegel Online ist das peinlich und rufschädigend, weil es die Recherchemethoden des Autors in Frage stellt. Denn dieser hat laut Noa Bank auch anderen Stellen seines Beitrages einige Tatsachen verdreht, wie die Veröffentlichung des kompletten E-Mail Interviews im Blog der noa bank im Vergleich zum veröffentlichten Artikel beweist.

Umso verstörender ist es, dass sowohl die Financial Times Deutschland als auch die Süddeutsche Zeitung in den letzten Tagen ganz ähnliche Artikel veröffentlichten. Verblüffend ähnliche Artikel. Artikel, die offensichtlich auf denselben vermeintlich unsauber recherchierten Behauptungen von Günter Heismann basieren, wie sich unschwer an denselben unwahren Fakten belegen lässt, die sie zitieren.

Womit haben wir es hier zu tun?

Mit einem neuen Effizienzprogramm der Medienindustrie, dass darin besteht, ein- und denselben Artikel dürftig umformuliert in mehreren Publikationen erscheinen zu lassen?

Davon wüsste ich dann als Leser bitte gerne. Wenn auch nur, um mich für eine Zeitung zu entscheiden, die a.) sauber recherchiert und b.) die (hoffentlich) versehentliche Verbreitung von Falschinformationen zügig richtigstellt.

Dubiose Journaille vs. noa-bank-Mücke?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder läuft tatsächlich eine Art Schmutzkampagne gegen die Bankenmücke noa bank oder ich werde gerade Zeuge eines lehrbuchbeispielhaft Falles von schlechtem Journalismus.

Die rennomierte Financial Times Deutschland veröffentlichte gestern Nacht einen Beitrag von Rolf Lebert mit dem Titel: “Noa-Bank holt der Alltag ein”. Trotz wohlwollender Prüfung konnte ich in diesem Artikel keine einzige Information finden, die nicht bereits im Spiegel Online Artikel zu lesen war, auf den ich im letzten Blogpost eingegangen bin. Empfehlenswert ist eine Stippvisite zur Financial Times trotzdem. Denn man erhält spannende Einblicke ins journalistische Arbeiten. Rolf Lebert remixt seinen Remix eines Spiegel Online Artikels. Auf Seite zwei bietet er ein neu arrangiertes Potpourri der Absätze, die er bereits auf Seite eins verwendet hast. Das ist witzig. Aber kein Journalismus.