10 Sätze über chinesische Erdbeeren

Gestern wurde bekannt, dass sich die 11.200 Personen, die in den letzten Wochen vor allem in Ostdeutschland wegen Brechdurchfalls behandelt werden mussten, wahrscheinlich durch den Verzehr von Erdbeerkompott infiziert haben, das die Großküche Sodexo an Schulen und Kindergärten ausgeliefert hat.Die Erdbeeren, die als Grundlage für die Nachspeise dienten, wurden als Tiefkühlware aus China importiert, heißt es am Rande der Meldung.

Vom mikrobiologischen Klima mal ganz abgesehen, kann da was nicht stimmen.

Wir lassen also in China Erdbeeren pflanzen und düngen, hegen und pflegen, ernten, waschen, schneiden und verpacken? Und anschließend transportieren wir sie tiefgekühlt – also unter ständiger Zufuhr von Energie – per LKW zum Hafen und von dort aus per Schiff um den halben Erdball, um sie die letzten paar hundert Kilometer wieder per LKW zur Großküche zu karren, wo sie dann aufgetaut und mit Zucker überschüttet werden, damit sie anschließend auf kleinere LKW geladen werden können, die sie endlich zu den Schulen und Kindergärten bringen in denen sie dann gegessen werden? Und wir tun dies nicht, weil chinesische Erdbeeren leckerer, größer, saftiger oder sonstwie besser wären, sondern weil das einfach billiger ist, als die Erdbeeren hierzulande anzubauen, zu ernten und einzufrieren bis einer auf die Idee kommt, Ende September Kompott daraus zu machen? Geht’s noch?

Dass auf diesen Odysseen, die sehr wahrscheinlich nicht nur tiefgekühlte Erdbeeren bis zu unseren Kantinentabletts zurücklegen müssen nicht viel häufiger Krankheitserreger eingetragen werden, darf bestaunt werden. Schließlich ist eine lückenlose Kühlkette von mindestens siebeneinhalb Tausend Kilometern länger gerade für so leichtverderbliche Früchte wie Erdbeeren ein respekteinflößendes logistisches Kunststück.

Und eine völlig sinnlose ökologische Katastrophe.

Beate Klarsfeld: 10 Sätze zu Amt und Würden

In zahlreichen Blogs wird derzeit bedauert, dass Beate Klarsfeld keine ernstzunehmenden Chancen hat, erste Bundespräsidentin dieses Landes zu werden. Nachdem ich der Pressekonferenz der Linken mit gespitzten Ohren gelauscht habe, glaube ich, dass sie selbst andernfalls überhaupt nicht angetreten wäre: Klarsfeld lebt seit 52 Jahren in Frankreich und hat in den letzten Jahrzehnten an den öffentlichen Debatten Deutschlands überhaupt nicht teilgenommen, was man ihren Äußerungen auch deutlich anmerkt.
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Die Zwiebelmett-Doppelmoral der Knut-Bürger

Wir leben in einem Land, in dem am fünften Geburtstag eines verstorbenen Eisbären mehr als einhundert Menschen Blumen und Kränze an dessen Gehege niederlegen, sodass sich Zeitung und Fernsehen veranlasst sehen, darüber zu berichten.

Wir leben in einem Land, in dem eben diesem Eisbären ein 4.000 Euro teurer Gedenkstein neben dem Grab seines Pflergers gesetzt wird, der sich zu einer regelrechten Pilgerstätte entwickelt, und sogar “Knut-Bürger” aus Frankreich und Südafrika anzieht.

In diesem unserem Land wird nun einem toten Eisbären ein einhundert Kilo schweres und 16.000 Euro teures Denkmal aus Bronze gegossen, über dessen Aussehen im Rahmen eines internationalen Wettbewerbes entschieden wurde, an dem mehr als vierzig Künstler teilgenommen haben.

Ich frage mich ganz ehrlich, ob wir sie noch alle haben.

Es ist nämlich eben gerade nicht so, dass wir ein besonders tierliebes oder mitfühlendes Land wären, was man angesichts des peinlichen Knut-Kultes oder der 3,7 Milliarden Euro die wir 2010 für Heimtierbedarf ausgegeben haben, annehmen könnte. Während wir bald zwar nicht um ein goldenes Kalb, wohl aber um einen herrlichen bronzenen Eisbären tanzen können, schlagen wir uns unsere fetten Wänste mit so viel Fleisch wie nie zuvor voll.

Allein im dritten Quartal des letzten Jahres verzehrten wir laut statistischem Bundesamt:

  • 15.200.000 Schweine
  • 909.000 Rinder
  • 358.000 Tonnen (!) Geflügel und
  • 5.6000 Tonnen Lamm-, Schaf-, Ziegen- und – last but not least – Pferdefleisch.

Ich weiß, dass wir irgendwann beschlossen haben, dass Ferkel, Kälber und Küken im Leben nicht so niedlich, so klug, so herzallerliebst sein können wie ein verwöhntes Eisbären-Gör, allerdings muss ich gestehen, dass ich vergessen habe, warum eigentlich.

Ich höre sie schon wieder “Irgendwas müssen wir doch essen!” rufen.

“Aber selbstverständlich!”, antworte ich und empfehle, den Speiseplan um leckeres Eisbär-Mett zu erweitern.

10 Sätze: Warum wir nicht alle Christian Wulff sind

Ein Mann finanziert sein Häuschen so günstig wie möglich, er freut sich, wenn er business class fliegen darf, obwohl er nur economy gebucht hat und wenn ihn Freunde zu Urlauben nach Florida, Italien oder Griechenland einladen, nimmt er händeklatschend an.

Würden wir das nicht alle? Wahrscheinlich würden wir, es sei denn, wir wären eine politische Person.

Wegen schlechter Erfahrungen mögen wir es nicht, wenn Politiker Geschenke von Unternehmern, Aufsichtsräten oder Konzernchefs annehmen. Wir wollen, dass der Wille des Volkes und der gesunde Menschenverstand die Basis für politische Entscheidungen bilden und etwa nicht persönliche Sympathien, denen durch geldwerte Vorteile womöglich nachgeholfen wurde.

Wir sind ein bisschen naiv was das angeht und auch ein bisschen empfindlich, aber Korruption, Bestechung und alles was danach riecht, wollen wir nicht haben. Im Gegenteil mögen wir politischen Idealismus und moralische Integrität, weshalb wir dem politischen Betrieb in unserem Land ein Amt vorangestellt haben, dessen Aufgabe es ist, genau diese beiden Tugenden zu repräsentieren.

Ein Amt selbst kann freilich keine Würde haben, der der es ausfüllt, muss sie ihm verleihen.

Gelten für einen Bundespräsidenten also höhere moralische Maßstäbe als für Privatpersonen?

Selbstverständlich und zwar aus guten Gründen.

10 Sätze zu meinen Waffeninvestments

Das peinliche ist: Ich bin vom Fach und der Mann, der mir meine Altersvorsorge verkauft hat ebenso. Obendrein ist er mein Freund. Wir hatten keine Ahnung, aber den rührend naiven Gedanken, dass eine Altersvorsorge beim ausgezeichneten Testsieger DWS eine gute Idee sei. Wie mir heute die freundlichen Damen und Herren vom Deutschlandfunk geduldig erklärten, ist dem nachweislich nicht so:

Mit meinen piefigen Beiträgen zur Riesterrente investiere ich nämlich in den DWS Vorsorge Dachfonds, der davon Anteile des Global Equity Alpha Fonds der Axa Rosenberg kauft, der wiederum ein dickes Aktienpaket an der Firma L-3 Communications hält, die zu den Top-Drei-Herstellern von Streumunition und Streubomben gehört.

Verkürzt formuliert sichere ich mir also eine sorgenfreie Zukunft, in dem ich die Zukunft anderer Menschen, beispielsweise jene achtlos spielender Kinder im Libanon, durch das Zerfetzen unterschiedlicher Gliedmaßen ruiniere, oder abhängig von der Größe der jeweiligen Explosion ganz und gar streiche.

Die mir zustehenden staatlichen Zulagen, für deren Bereitstellung ich auch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser meinen herzlichen Dank ausdrücken möchte, investiere ich ebenfalls in diese Firma. So kann ich mir die Spitzenrendite sichern die ich brauche, damit mir auch im Alter genügend Geld zur Verfügung steht, beispielsweise um weiterhin für gemeinnützige Organisationen wie Handicap International spenden zu können.

Oder um damit eines Tages eine Stiftung zu gründen, die sich der Therapie schwerwiegender Persönlichkeitsstörungen bei Fondsmanagern widmet.

Seelenlose Idioten!

10 Sätze zum Wert von Kiwis

Um unser Begrüßungsgeld abzuholen, waren wir wie Sardinen in eine Dose in ein enges Zugabteil gequetscht nach Hof gefahren. In der Gemüseabteilung eines dortigen Supermarktes machte ich eine faszinierende Entdeckung: “Guck mal Mama. hier gibt es Kartoffeln mit Haaren!” Obwohl auch meine Mutter noch nie zuvor in ihrem Leben eine Kiwi gesehen hatte, erklärte sie mir gespielt fachkundig verstohlen das kleine Etikett lesend, dass ich offensichtlich falsch lag. Dann nahm sie mich an die Hand und wir verließen schnellen Schrittes die Frischeabteilung, in der sich einige Kunden köstlich über meinen Ausruf amüsierten. Da ich die seltsame Frucht an der Kasse noch immer in der Hand hielt, hat meine Mutter sie mir gekauft und ich habe sie den ganzen Tag in meiner Jackentasche mit mir herum getragen, um wann immer Zeit war das süßlich-exotische Aroma zu inhalieren, das sie verströmte.

Am Abend – wir waren gegen elf völlig erschöpft wieder zuhause angekommen – holte ich sie hervor und bat meine Mutter, sie mit chirurgischer Genauigkeit in vier gleich große Teile zu zerschneiden, damit jeder etwas davon habe. Andächtig und in völliger Stille saßen wir am Esstisch und löffelten langsam das grüne Fleisch, bevor wir – kaum war das letzte Fitzelchen genossen – wild durcheinander plappernd versuchten, unseren Geschmackseindrücken Ausdruck zu verleihen. In der festen Überzeugung, nie wieder in meinem Leben nach Hof zu kommen, versuchte ich, aus den winzigen schwarzen Kernen kleine Kiwipflanzen zu ziehen – vergeblich.

Heute habe ich eine Sechserpackung Kiwis weggeworfen. Die war letze Woche sehr günstig im Angebot und ich dachte, vielleicht würde ich Appetit auf Kiwis bekommen, bevor sie allesamt verschimmelt wären.

10 Sätze zum Thema: Oldies

Ich erinnere mich, wie ich eines Abends vom Schluchzen meiner Mutter geweckt wurde. Zum ersten mal in meinem Leben war ich vorm Fernseher eingeschlafen, also einem Phänomen erlegen, das mir bis dato völlig rätselhaft gewesen war. Meiner Mutter rollten dicke Tränen über die Wangen. “Ach, das ist so schön!”, rief sie und meinte ein Duett von Frank Schöbel und Chris Doerk, das hinter hautfarbener 70er-Jahre-Patina über den Fernseher flimmerte. “Das ist total Panne!”, entgegnete ich laut prustend, nachdem ich die hölzerne Choreografie aufmerksam aber erfolglos auf Spuren von Schönheit geprüft hatte. “Das war meine Zeit.”, erklärte mir meine Mutter. “Zu diesem Lied habe ich zum ersten Mal mit deinem Vater getanzt.” Heute, etwas mehr als 15 Jahre später hat mich der Zufallsalgoritmus meines Rechners mit Marushas “Somewhere over the rainbow” konfrontiert, das offensichtlich bis heute in einer entlegenen Ecke meines digitalen Musikarchives auf diesen Tag gelauert haben muss. Dieses Lied lief, als ich zum ersten Mal ein Mädchen küsste. Ich schäme mich für meinen indiskutablen Musikgeschmak und das ignorante Verlachen der pompösen Sentimentalität meiner Mutter.

10 Sätze zum Thema: Gute Vorsätze

Mir sind sie mittlerweile zu guten Freunden geworden, meine Vorsätze. Ich begegne ihnen nur einmal im Jahr, aber immer ist diese Begegnung intensiv und vielversprechend. Sie zeigen mir Bilder von einem besseren Leben und Karten, die den Weg dorthin weisen. Sie verhehlen nicht, dass der Weg bergauf führt.
Aber sie schwärmen von der fantastischen Aussicht, die man vom Ziel hätte. Jedes Jahr mache ich mich begeistert auf den Weg. Jedes Jahr gelingt es mir, für ein paar Tage zu verdrängen, wie oft ich schon aufgebrochen bin, und dass ich mich noch jedes Mal verirrt habe. Und jedes Jahr verirre ich mich erneut, und verliere die Vorsätze und den Pfad, den sie wiesen im Schneesturm der Alltäglichkeiten aus dem Blick.
Außer im letzten Jahr. Einer Fährte folge ich noch immer. Und heute wage ich es, eine zweite aufzunehmen.