Bisher habe ich das Geschrei um Apples rigide Zensurpolitik eher belustigt als besorgt verfolgt. Ähnlich wie Cäsar in der Arena entscheiden die kalifornischen Designkönige mit Daumen hoch oder Daumen runter über Sein oder Nicht-Sein von Anwendungen, e-Books oder elektronischen Magazinen in ihrem App-Store. Mitunter geht es dabei auch um Leben und Tod der kleinen Entwicklerfirmen, die in die Programmierung ihrer Software speziell für die Apple-Geräte viel Geld gesteckt haben, nun aber wegen Daumen runter damit keines verdienen dürfen. Die antiquierten, ja geradezu biederen Vorstellungen von Moral und Züchtigkeit, die aus vielen dieser Entscheidungen sprechen, beispielsweise aus jener, das barbusige Bild-Mädchen auf Seite 1 einen Bikini anzuziehen, kommen mir zwar geradezu lächerlich bevormundend vor, haben mich aber bisher nicht besonders aufgeregt.
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Autor: Ron
Mit der politischen Kettensäge gegen Wildwuchs: Ein Ausweg?
Alex’ ausführliche Analyse vom Donnerstag, gibt viele Antworten und Einblicke. Aber sie wirft auch Fragen auf. Und zwar sehr grundsätzliche:
1. Warum ist Umverteilung so schwierig?
2. Wer ist der Staat?
3. Wer oder was ist die EU?
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Facebook: Der Phishvergiftung nur knapp entgangen
Heute Morgen – ich begrüßte den Tag noch einigermaßen verschlafen mit einer Tasse grünem Tee – empfing ich auf Facebook eine Nachricht von einer Freundin. Im Nachrichtentext stand nur “Das Foto ist auch von dir, oder?” gefolgt von einem bit.ly-Link und der zugegeben etwas hölzernen Grußformel “Mit Liebe!!!”. Ich öffnete den Link und landete erneut auf einem Facebook-Login. Hier hätte ich stutzig werden sollen. Bin ich aber nicht, weil ich erst gestern die Cookie-Einstellungen meines Browsers geändert habe, so dass im Augenblick einige Seiten nicht mehr ganz so funktionieren, wie das alle Beteiligten gern hätten. Weil ein Auge noch vom Schlaf verklebt war und das andere schon von der Morgensonne geblendet, habe ich mich brav nochmal eingeloggt. Und zwar hier:
Doch, die Seite kam mir komisch vor. Besonders weil “Sie sollten geloggt sein, um fortzusetzen.” kein Satz meiner Muttersprache ist. Aber ein kurzer Blick in die Adresszeile beruhigte mich: Da stand facebook.com.
Nach dem Drücken des “Anmelden”-Knopfes landete ich bei Rapidshare, einem eher zweifelhaften Filesharing-Service und war aufgefordert, eine Datei herunterzuladen. Da ich aber zum Zähneputzen mehr Lust hatte unterließ ich dies. Außerdem war es für Erwachsenenunterhaltung zu früh, ich für illegal verbreitete Medien zu alt und für Viren und Schadsoftware zu clever. Nicht aber für andere hinterhältige Tricks computeraffiner Bauernfänger.
Das sonore Vibrieren meiner Zahnbürste rüttelte zwei Minuten später mein Gehirn wach. Ich logge mich bei Facebook ein und lande bei Rapidshare? Holzauge sei wachsam! Einen Klick auf den Zurück-Knopf später war klar: Ich war Opfer einer Phishing-Attacke geworden. Die Loginseite war eben nicht die von Facebook. Die eigentliche Domain lautete clearstreamz04.com und das wäre dem aufmerksamen Betrachter auch nicht entgangen. Verschlafen und schafdoof hatte ich meinen Facebook-Login jemandem preisgegeben, der damit alles aber nichts Gutes vor hatte. Genauso war es wahrscheinlich auch der Freundin ergangen, von deren Account ich die tückische Nachricht erhielt. Cyberkriminelle hatten sich ihres Zuganges bemächtigt und einen neugierig machenden Köder nach ihren Freunden ausgeworfen. Mir hat er geschmeckt. Wer weiß, welch fieses Schnipselchen Software ich mir da an Land gezogen hätte. Gut möglich, dass man meinen Rechner fortan als Spamschleuder benutzt oder meine Online-Banking-Kennungen ausgespäht hätte.
Knietief im Honigpott änderte ich sofort mein Passwort und auch meine Login-Emailadresse um nicht noch weiter hineinzurutschen.
Nach einer guten Viertelstunde, in der ich meiner Hündin laut fluchend klarzumachen versuchte, dass sie soeben Zeugin epochaler Dämlichkeit geworden war, ging meine Entrüstung in Staunen über. Sowas passiert ausgerechnet mir? Ich blogge über Datenschutz, Spionagegefahren, Kameraüberwachung und geheime Nutzerprofile um mich dann in völliger Apathie der stümperhaften Kopie der Anmeldeseite eines ohnehin mit äußerster Vorsicht zu genießenden sozialen Netzwerkes hinzugeben? Herrje!
Die anschließende Viertelstunde freute ich mich darüber, dass ich weder meinen für Facebook genutzten Nutzernamen noch das Passwort irgendwo anders zum Login verwende. Was für eine Katastrophe hätte das werden können? Man male sich aus, meine Facebook-Anmeldedaten würden auch bei Amazon funktionieren, bei Ebay, bei Paypal oder meinem E-Mail-Dienst! Man male sich aus, ich würde all meine E-Mails – auch die mit Logindaten und Passwörtern zu anderen Diensten – in der glitzernden gehypten Cloud lagern und jemand anders außer mir bekäme Zugang zu diesen Mails! Das hätte in einer sehr üppigen Shopping-Tour auf meine Kosten enden können, die mir wahrscheinlich keine Versicherung der Welt ersetzt hätte. Zum Einkaufen wären schließlich meine korrekten Anmeldedaten verwendet worden.
Den Rest des Tages habe ich hauptsächlich damit verbracht meine Mails zu checken, in der stillen Freude darüber, dass keine Bestellbestätigung für ein exklusives Ledersofa oder die Messeneuheit in Sachen Plasmatelevison darunter befand. Knapp war das! Aufpassen!
Ein Irrweg als Wachstumspfad
Gestern erklärte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle die Weltwirtschaftskrise für beendet. Er sieht “Deutschland wieder auf dem Wachstumspfad” und bemühte sich, im Bundestag allgemeinen Optimismus zu verbreiten.
Mir wurde beim Lauschen dieser Nachrichten aus einer Parallelwelt ein bisschen flau im Magen, und der linke Chefvolkswirt Michael Schlecht erklärte mir im gestern erschienen Freitag sehr eindrücklich warum. Dass es – Krise hin, Krise her – ziemlich schwerwiegende strukturelle Probleme in unserer Wirtschaftsordnung gibt, ist mir schon eine Weile klar. Dass sich diese aber auf so einfache Kernthesen herunterbrechen lassen nicht.
“Ohne Umverteilung von oben nach unten wird es keine höhere Binnennachfrage und kein höheres Wachstum geben.”
erklärt Schlecht, und arbeitet weiterhin heraus, wie wichtig es daher ist, mehr Geld von den Konten der Reichen in die Geldbörsen der Geringverdienenden umzuschichten.
Ja, das klingt auch in meinen Ohren ziemlich linksnaiv und viel zu einfach. Deswegen muss es aber nicht prinzipiell falsch sein. Unbestritten ist nämlich, dass Geringverdiener ihr Geld tatsächlich ausgeben, während Sehrgutverdiener Anlagen und Vermögen mit ihrem Geld aufbauen, da sie unmöglich alles ausgeben können. Für den Staat (und obwohl mich das beim Schreiben gruselt: der sind wir ja alle) ist es besser, wenn sich Geld herumtreibt als still – wenn auch gemächlich wachsend – in irgendwelchen kontobenummerten Häfen zu ankern.
Dass das Strukturproblem nach wie vor besteht, sehen wir gerade am Hilferuf aus Griechenland. Besonders deutlich, wenn wir uns die lukrative Staatsanleihe ins Gedächtnis rufen, die Griechenland im Januar emittiert hat. Staatsanleihen sind nichts anderes als Kredite, die Staaten bei Anlegern aufnehmen. Je nach wirtschaftlicher Lage des Staates muss dieser hohe oder niedrige Zinsen an die Anleger zahlen, damit die ihr gerade nicht in Umlauf befindliches Geld rausrücken. Steht das Land verhältnismäßig solide da, trauen sich mehr Anleger zu investieren, und das Land muss niedrigere Zinsen zahlen. Ist der Staat hoch verschuldet oder instabil, taugt die Anleihe nur für Zocker, die ein höheres Risiko in Kauf nehmen können. Es trauen sich weniger Anleger zuzugreifen, und der Staat muss einen fetteren Zinsköder auslegen.
Die Anleihe, die Griechenland im Januar verkaufte, um sich von Anlegern 8 Mrd. Euro zu borgen, bot einen Zins von 6,3 Prozent. Das ist etwas mehr als doppelt so viel wie Deutschland Anlegern derzeit für Geld bezahlen muss. Im ersten Moment klingt das sehr lukrativ. Im zweiten Moment sollte man neben dem Wohlklang der hohen Zinsen aber auch die Alarmglocken läuten hören. Oberste Bänkerwahrheit seit Erfindung des Bankwesens ist nämlich: Ein hoher Zins bedeutet immer ein hohes Risiko. In dem Fall: Wenn der Staat bankrott geht, sind nicht nur die Zinsen futsch sondern auch das Kapital, das sie erwirtschaften sollte. Und obwohl das Risiko beim bis zum Schopf in Schulden versunkenen Griechenland sehr hoch ist, haben sich die Anleger offenbar darauf verlassen, dass der Bankrott nicht eintreten wird. Die Nachfrage nach der Anleihe war dreimal so hoch wie das Angebot.
Gestern dann der Hilferuf aus Griechenland. Sehr wahrscheinlich werden die Euroländer und der Internationale Währungsfond den maroden griechischen Karren mit günstigen frischen Krediten aus dem Korruptions- und Schuldensumpf ziehen. Genau darauf haben die mutigen Anleger schon im Januar gewettet.
Im linken und zugegeben stark verkürzten Klartext bedeutet das: EU-Steuerzahler sorgen dafür, dass Anleger, die soviel Geld haben, dass sie zumindest mit einem Teil davon wild spekulieren können, die ihnen versprochene fette Rendite auch wirklich bekommen.
Die EU wird Griechenland nicht bankrott gehen lassen. Die 6,5% Zinsen werden den Anlegern gezahlt. Das falsch zu finden, ist nicht so einfach wie es scheint. Denn das hier ist kein Brettspiel. Die Menschen in Griechenland bekommen den harten Sparkurs ihrer Regierung sehr deutlich zu spüren. Beispielsweise in Form von Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor, massiver Reduzierung der staatlichen Leistungen, die ja in den allermeisten Fällen Sozialleistungen sind und einem rigorosen Zusammenkürzen der staatlichen Investitionen. Ein Staatsbankrott würde diese Einschnitte nur noch wesentlich tiefer Ausfallen lassen und natürlich am Härtesten diejenigen treffen, die ohnehin schon wenig haben. Das möchte niemand verantworten. Auch deshalb nicht, weil es keine erprobte Antwort auf die Frage gibt, wie es denn nach einem Staatsbankrott mit Griechenland und auch mit der übrigen EU weiterginge.
So gesehen ist Griechenland kein Spekulationsobjekt und darf freilich nicht als solches behandelt werden. Ein Land und eine Staatengemeinschaft aber, in der es möglich ist Geld zu verdienen, indem man darauf wettet, dass Menschen in Not geholfen wird, ist bestimmt nicht auf einem Wachstumspfad. Sondern auf einem Irrweg.