Neu: iHomophob by Apple

Bisher habe ich das Geschrei um Apples rigide Zensurpolitik eher belustigt als besorgt verfolgt. Ähnlich wie Cäsar in der Arena entscheiden die kalifornischen Designkönige mit Daumen hoch oder Daumen runter über Sein oder Nicht-Sein von Anwendungen, e-Books oder elektronischen Magazinen in ihrem App-Store. Mitunter geht es dabei auch um Leben und Tod der kleinen Entwicklerfirmen, die in die Programmierung ihrer Software speziell für die Apple-Geräte viel Geld gesteckt haben, nun aber wegen Daumen runter damit keines verdienen dürfen. Die antiquierten, ja geradezu biederen Vorstellungen von Moral und Züchtigkeit, die aus vielen dieser Entscheidungen sprechen, beispielsweise aus jener, das barbusige Bild-Mädchen auf Seite 1 einen Bikini anzuziehen, kommen mir zwar geradezu lächerlich bevormundend vor, haben mich aber bisher nicht besonders aufgeregt.

Grundsätzlich finde ich es nämlich vertretbar und nachvollziehbar, das Apple als Produzent sehr begehrter (und obwohl mir das nur zähneknirschend über die Lippen kommt: wohl auch guter) Geräte an den Inhalten für selbige mitverdienen will und sich vorbehält, darüber zu entscheiden, welche Inhalte überhaupt auf die Geräte kommen. Dem Nutzer steht es schließlich frei, sich für oder gegen die von Apple angebotene Plattform zu entscheiden. Und dank Android, Bada und MeeGo stehen mittlerweile zahlreiche adäquate Alternativen für all jene bereit, die fasziniert von moderner Technik und gutem Design sind, aber nach dem Kauf eine Gerätes gern selber darüber entscheiden möchten, was sie darauf konsumieren. Und seien es eben Fotos barbusiger Frauen.

Ich kann auch nicht erkennen, dass die Pressefreiheit durch Apples No-Nipple-Policy ernsthaft gefährdet wäre. Glücklicherweise ist kein Verleger dazu gezwungen Presseprodukte für Apple-Geräte zu produzieren. Die neueste Veröffentlichung aber, die den gefräßigen kalifornischen Zensurlöwen zum Fraß vorgeworfen wurde, sollte ihnen schwer im Magen liegen. Es handelt sich um eine Comic-Umsetzung des Oscar Wilde Stückes “The Importance of Being Earnest”.

Die Galerie bei Gizmodo zeigt ein Auszug aus dem Original-Comic und  die von Apple modifizierte Variante, in der sich vier kleine Fehlerchen verstecken. Wer kann alle finden?

Mit Bleistiftstrichen visualisierte Gedanken an zwei sich küssende Männer reichen Apple also um eine Armada großzügiger schwarzer Kästen zu spendieren. In meinen Augen ist das nicht mehr mitleiderregend prüde sondern in hohem Maße politisch inkorrekt. Es steht ja wohl nicht zu Debatte: Die Zeichnungen sind alles mögliche, aber nicht pornografisch. Eine weitere in der Galerie gezeigte Zeichnung hat einen weitaus expliziteren sexuellen Bezug, wurde jedoch von Apple geduldet. Dabei ist das doch wohl ganz eindeutig ein Nippelchen, dass da unten rechts blitzt, oder?

Es wäre nicht das erste mal, das Apple seine Entscheidungen nach Nutzerprotesten revidiert.  Doch selbst, wenn das geschieht, wird mir rätselhaft bleiben, warum Nutzer akzeptieren, mit dem Kauf eines Computers nicht nur ein knappes Kilo feinste Technik sondern auch eine Weltanschauung zu erwerben. Und zwar eine, in der ihnen lediglich die Zurechnungsfähigkeit eines mittelmäßig entwickelten 5-Jährigen zugetraut wird.

Hauptquelle: Gizmodo