Terroristen haben Privatsphäre. Ich jetzt auch.

Vielleicht bin ich naiv, aber: Ich habe das nicht gewusst. Ich habe das auch nicht kommen sehen. Ich habe geahnt, dass man hinter dem Internet eine unvorstellbare Überwachungsmaschine bauen könnte, aber nicht daran geglaubt, dass das tatsächlich getan wird wurde. Alles, was ich dem Internet füttere, wird von Geheimdiensten gefressen, verdaut und nie wieder ausgeschieden. Tatsächlich: alles. Zur Strafe für meine Einfältigkeit lässt sich der Großteil meines Lebens nun sehr wahrscheinlich auf Servern der NSA nachvollziehen. Auch, wenn sich wohl niemand die Mühe machen wird, das zu tun, weil ich so aufregend leider gar nicht bin. Aber darum geht es nicht.

In den letzten beiden Tagen habe ich umgebaut: Terroristen haben Privatsphäre. Ich jetzt auch. weiterlesen

Von Informationen zur Unterdrückung

In meinem vorletzten Artikel hatte ich versucht zu erklären, warum auch “rechtschaffende Menschen” ausreichend Grund haben, sich vor der umfassenden Überwachung unserer digitalen Kommunikation zu fürchten.

Nach einigen Vorträgen auf der sigint13 habe ich begriffen: Rechtschaffenheit ist eine Konstruktion. Eine ziemlich hahnebüchene nämlich. Und zwar nicht nur, weil das, was heute legal und akzeptiert ist, in 10 Jahren möglicherweise verboten oder wenigstens verpöhntsein könnte. Sondern auch, weil grundsätzlich jeder etwas zu verbergen hat (auch darüber schrieb ich schon einmal).

Wenn jede Email, jeder Chat, jede besuchte Webseite aufgezeichnet wird, macht uns das erpressbar. Von Informationen zur Unterdrückung weiterlesen

Oxfam Trailwalker: Ich brauche Deine Hilfe

Wer diesen Blog häufiger liest, weiß, dass ich gern waghalsig auf der Grenze zwischen konsequentem Aktionismus und hoffnungslosem Idealismus balanciere. Am 7. und 8. September werde ich dies bis zur Grenze meiner Belastbarkeit tun (und vielleicht ein klitzekleines bisschen darüber hinaus).

Zusammen mit fünf Freunden nehme ich am Oxfam Trailwalker teil. Zwei von uns kümmern sich um Essen, frische Kleidung und die wirksamsten Motivationssprüche der Weltgeschichte. Die anderen vier (darunter ich), werden innerhalb von 30 Stunden einhundert Kilometer laufen. Ja: Jeder. Einhundert. Kilometer. Und ja: eine verdammte Schinderei.

Wir tun dies nicht, weil wir Extremsportler geworden sind. Oder wahnsinnig. Wir tun das, weil wir beweisen wollen, dass möglich ist, was wir für unmöglich halten. Eine Welt ohne Armut, zum Beispiel.

Dafür brauche ich Deine Unterstützung. Denn ohne Dich schaffen wir das nicht. Oxfam Trailwalker: Ich brauche Deine Hilfe weiterlesen

Wir sind rechtschaffende Leute, aber wir haben viel zu befürchten.

Ich erinnere mich gut an den Moment der Enttäuschung, als ich fünfjährig einsehen musste, dass mich meine Mutter auch dann sehen konnte, wenn ich mir die Augen zu hielt. Ich erinnere mich, an das Trauma eines Freundes, der im Alter von 12 Jahren anhand der Verletzung versteckter Plompen beweisen konnte, dass sein Vater sein Tagebuch las und an den Umzug der Schuberts in eine andere Stadt, nachdem sie ihre Stasi-Unterlagen gelesen hatten.

Festzustellen, dass man beobachtet wurde obwohl man sich in sicherem Umfeld wähnte, ist unerträglich. Meine Mutter hat ihrer Stasi-Akte niemals angefordert. Ihr war klar, dass daraus Spitzeleien im nächsten Umfeld offenbar würden, die Konsequenzen verlangten, vor denen sie sich noch mehr fürchtete als vor den seelischen Verletzungen durch den vielfach begangenen Verrat. Ich kann das verstehen. Aber ich halte das für falsch. Fakten wie diese muss man ansehen, finde ich.

Die Situation, der wir uns alle in den letzten Wochen häppchenweise gewahr werden, ist eine andere aber vielleicht doch vergleichbar. Wir sind rechtschaffende Leute, aber wir haben viel zu befürchten. weiterlesen

Lebwohl Whatsapp, hallo Threema!

Vielleicht bin ich altmodisch, aber: Wenn ich Nachrichten an meine Freunde versende, sollen sie meine Freunde erreichen und sonst niemanden. Whatsapp ist in meinem Umfeld zum Standardkanal für Zwischendurch-Kommunikation geworden. Aber ich rufe zum Boykott auf und mache ab sofort nicht mehr mit.
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Prism: Wie erklären wir das unseren Kindern?

Ich bin gelähmt. Ich bin entsetzt. Ich schaudere. Ich fürchte mich. Ich bin wütend. Ich fühle mich manipuliert. Verarscht. Verraten. Beraubt. Ich fühle mich entwürdigt. Ich komme mir naiv vor, gutgläubig und dumm.

Ich hatte mir vorgenommen, zu warten, bis ich wieder klar sehe, bevor ich darüber schreibe. Aber ich beruhige mich nicht. Alles wird unüberschaubarer, ungeheuerlicher, bedrohlicher. Ich bin gut darin, meine Gefühle zu beschreiben, aber es geht nicht um mich. Ich bin gut darin, mich zu echauffieren, aber das wird nichts nützen. Ich kenne mich ein bisschen aus mit totalitären Systemen und Computern, aber auch das reicht nicht.

Ich sitze auf meinem Fensterbrett und schaue der Stadt beim Blinken zu. Ich muss über Begriffe wie Gesellschaft, System, Staat und Macht nachdenken. Immerzu. Ich versuche zu begreifen, was Freiheit ist und Demokratie. Ich frage mich, wie wir uns dieses Idealen annähern könnten. Ich frage mich, wer “wir” ist. Prism: Wie erklären wir das unseren Kindern? weiterlesen

Ich habe Angst vor Ärzten und ich kann das erklären

Ich bin 32 Jahre alt und gesund. Hoffe ich. So sehr. Ich habe Angst vor Ärzten und ich kann das erklären.

Ich gehöre zu den Männern Menschen, die Arztbesuche soweit aufschieben, wie es nur geht. Ich bin einer von denen, die ab Juni an ihre jährliche Zahnarztvorsorge denken, aber erst am Abend des 22. Dezember der entnervten Sprechstundenhilfe gegenübertreten, um unter Einsatz allen verfügbaren Charmes einen Termin noch in diesem Jahr zu erbetteln. Einmal, als ich drei Jahre lang nicht mutig genug war, zum Zahnarzt zu gehen, und mir die Ärztin an einem dieser Dezemberabende kühl eröffnete, bis Mitte März des nächsten Jahres neun meiner Zähne sanieren zu wollen, bin ich unumwunden in Tränen ausgebrochen. Zwölf Mal wollte sie mit Bohrern, Schleifern, Saugern, Schläuchen und Metalllegierungen in meinen Kopf eindringen, ohne mir den Segen einer Vollnarkose zuteil werden zu lassen! Das ging nicht. Nirgendwo fühle ich mich ausgelieferter, als auf dem Behandlungsstuhl einer Zahnärztin. Ich bin sehr stolz darauf, dass mein Gebiss mittlerweile komplett saniert ist. Natürlich nicht von diesem sadistischen Monster, sondern von einer engelsgleichen Zahnfee mit dunkler Dauerwelle, die sich – mutig die Realität leugnend – von winzigem Löchlein zu winzigem Löchlein gefaselt hat. Bitte: Ich möchte von Zahnärztinnen angelogen werden. Ich habe Angst vor Ärzten und ich kann das erklären weiterlesen

10 Sätze über „ein gewisses Unbehagen“ gegenüber der Adoption durch Homosexuelle

Nachdem das Bundesverfassungsgericht letzte Woche klargestellt hat, dass verpartnerte homosexuelle Paare verheirateten heterosexuellen Paaren steuerlich gleichgestellt werden müssen, gibt es nur noch ein Privileg, das  gemischtgeschlechtlichen Eheleuten vorbehalten bleibt: die Adoption von Kindern.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier sagte dazu gestern gegenüber dem Spiegel, dass ein eventuelles Adoptionsrecht ein viel schwierigeres Thema sei, als die steuerliche Gleichstellung; schließlich gehe es beim einen nur ums Geld, beim anderen aber (Sie ahnen es!) ums Kindeswohl. Nachdem er einräumte, dass selbstverständlich auch Homosexuelle Kinder liebevoll erziehen könnten, heißt es weiter: 10 Sätze über „ein gewisses Unbehagen“ gegenüber der Adoption durch Homosexuelle weiterlesen

An die gelangweilten Herren Journalistinnen

Benjamin Haerdle veröffentlichte am 4. Juni auf Spiegel-Online einen Artikel über eine Sprachreform an der Uni Leipzig. Wahrscheinlich war ihm langweilig oder er ist jung und brauchte die Klicks; der im Artikel verhandelte Beschluss jedenfalls wurde schon vier Wochen vorher gefasst. Er besagt, dass in der neuen Grundordnung der Universität Leipzig erstmals das generische Femininum verwendet wird. Und ja, das ist schon alles.

Beispielsweise wird statt von Professoren*, Professoren/Professorinnen, Professoren und Professorinnen, ProfessorInnen, Professor_innen oder Professor*innen künftig lediglich von Professorinnen die Rede sein.

Möglicherweise konnte Herrn Haerdle nach dem Schreiben seines Artikels dessen spannendes Momentum selbst nicht entdecken, weshalb er eine fetzige Überschrift versuchte: An die gelangweilten Herren Journalistinnen weiterlesen

Offener Brief zum Thema Schwul-Unterricht

Vorgestern veröffentlichte das Mitglied der Landespressekonferenz Sachsen, Andreas Harlaß, auf bild.de einen unerträglichen Artikel mit dem Titel: “Irre Idee aus Sachsen: Linke wollen „SCHWUL–Unterricht“ einführen”. Darin behandelt er einen Vorstoß der LINKEN zur Ausweitung der Aufklärung an Grundschulen. Wie bei BILD üblich, ist der Inhalt des Textes mit dem Überfliegen der Überschrift verstanden: Herr Harlaß findet’s doof, ja sogar ungeheur gefährlich. Die sächsischen Schulaufklärungsprojekte haben darauf bereits mit einer gemeinsamen Presse-Erklärung reagiert, die alle von BILD provozierten Irritationen klärt.

Offen bleibt aus meiner Sicht nur eine einzige Frage: Wie muss man eigentlich drauf sein, um so einen Text zu verfassen? Um dies zu klären, schickte ich Herrn Harlass gerade folgenden offenen Brief: Offener Brief zum Thema Schwul-Unterricht weiterlesen