Nach dem überraschenden Ausgang des Volksentscheids in Großbritannien werden die EU-Institutionen jetzt auf zügige Austrittsverhandlungen drängen, um allen, die ebenfalls über ein EU-Referendum nachdenken möglichst theatralisch vorzuführen, wie fürchterlich schmerzhaft so ein Austritt ist – vor allem für denjenigen, der austritt. Trotz allen Zähnefletschens, wird es wahrscheinlich aber gar nicht so schlimm, denn einerseits wird der Ausstieg Jahre dauern (ungefähr vier schätze ich), und andererseits hat die EU – insbesondere Deutschland – selbst enormes wirtschaftliches Interesse daran, dass Großbritannien Teil des Binnenmarktes bleibt, bspw. um Zölle und unterschiedliche Verbraucherstandards zu umgehen. Ich wette, dass man in Sachen Freizügigkeit, Passpflicht und Außenhandel lieber weiterhin europäische Extrawürste fürs Vereinigte Königreich brät – unterm Strich zum Wohle aller.
Nicht verpassen sollten die Repräsentanten der EU aber den Denkzettel, den ihnen die Briten in die Wahlurne gestopft haben: Auch wenn der Wahlkampf schmutzig und voller Lügen war ist nicht zu leugnen, dass sich offenbar immer weniger Menschen von der EU repräsentiert fühlen. Vielen (auch in meinem Umfeld) scheint die EU-Regierung wie eine mächtige Blackbox in der demokratisch dürftig legitimierte, aber sehr gut bezahlte Beamte weit weg von allem, was für die meisten Lebenswirklichkeit ist, Gesetze und Verordnungen unterschreiben, die Ihnen gewiefte Lobbyisten süßlich ins Ohr gesäuselt haben. Die EU-Verwaltung wirkt lahm, aufgebläht, kompliziert, realitätsfern und altmodisch.
Ob dieser Eindruck der Wirklichkeit entspricht kann man diskutieren oder nicht; es ist dabei nicht entscheidend. In einer Zeit, in dem die Aufmerksamkeitsspanne vieler zu kurz geworden ist, als dass sie komplexe Antworten auf komplexe Probleme akzeptieren würden, zählt das nationale Bauchgefühl offenbar mehr als die Utopie der vereinigten Staaten von Europa.
Trotzdem braucht es aber nicht nur eine bessere Vermittlung der europäischen Politik und ihrer enormen Vorteile für jeden Einzelnen in der EU, es braucht auch Reformen. Die Rückverlagerung von Kompetenzen in die nationalen Parlamente, die Konzentration der EU-Kapazitäten auf die Schaffung gleicher Lebens- und Marktstandards und das Ringen um einen einheitlichen Auftritt in der Außen- und Sicherheitspolitik wären ein guter Start.
ich sehe das ebenfalls so. ich vermute, die EU hat schon sonderregeln für england in der schublade. diese sondersondersonderregeln könnten sich aber als nachteil erweisen, denn die Franzosen und Spanier werden dann ebenfalls über die sonderregeln sonderrabatte ergattern. und wie sich schottland verhalten wird, wird abzuwarten sein.
schade, dass es den brexit braucht, um über das arrogante Monster Brüssel ins Gespräch zu kommen.