Das große Oxam-Trailwalker-Alphabet: P – T

P wie Pausen
Bloß nicht zu lange! Bloß nicht zu kurz! Dreißig Minuten sind perfekt.
Zwischen den Checkpunkten haben wir keine Pausen gemacht. Wenn wir mal
auf jemanden warten mussten, der irgendwo im Busch kauerte, verging uns die Lust auf Pausen. Man kann sich das so vorstellen: Statt Blut
fließt eine zementartige Masse durch deinen Körper von der Hüfte
abwärts. Sobald diese Masse in Ruhe gerät, erstarrt sie zu Stein. Wahr ist
leider auch: Die Pausen an den Checkpunkten fühlen sich nicht sehr
nach Pausen an. Ich hatte die ganze Zeit zu tun. Das verschwitze Hemd aus,
kurz gewaschen, ein neues Hemd an. Die lange Hose aus, kurze Hose an. Schuhe
aus, Socken aus, Blasenpflege, neue Socken an, neue Schuhe darüber.
Essen und Essen mitnehmen. Wasser trinken und Wasserflaschen auffüllen
lassen. Es war kaum Zeit um einfach nur da zu sitzen und zu atmen. Und
das ist auch gut. Es ist tödlich, wenn man sich erlaubt zu sehr zur Ruhe zu
kommen.

Q wie Quatsch
Quatsch ist das einzige, was gegen den Tunnel (siehe T) hilft. Natürlich
würden auch ernsthafte Gespräche funktionieren und die passieren auch.
Aber je tiefgründiger die werden, desto anstrengender werden sie. Auf der
Generalprobe hatten wir uns eine halbe Etappe lang mit dem Packen eines
Reiseköfferchens beschäftigt, auf anderen Wanderungen mit dem Erraten von
Personen über Ja/Nein-Fragen. Diesmal hatten unsere Supporter Rätsel und
Ratekrimis für uns vorbereitet, die wir über die Etappen lösen konnten.
Auch haben wir wieder gesungen und gepfiffen. Oder uns mit anderen Teams
gefoppt. Man muss Strategien haben, um die Mundwinkel nach oben zu bringen.
Denn an denen hängt das Gemüt.

R wie Regen
Davor hatte ich Angst. Ich glaube nicht an Regenjacken. Soweit ich weiß,
gibt es davon nur zwei Arten. Die in denen man regennass wird und die in
denen man schweißnass wird. So oder so: Was nass wird reibt. Und was reibt
schmerzt. Wir waren an Checkpunkt 9 als starker Regen einsetzte. Das war
Glück im Unglück, denn wir konnten uns unterstellen. Ich saß auf einer
Getränkekiste im Pavillon und merkte, wie mein Körper in den Schlafmodus
herunterfuhr. Mir wurde schwindlig und schläfrig. Als Clemens dann fragte,
ob wir trotzdem weitergehen wollen, fühlte sich das an wie: Jetzt oder
nie. Wir sind weitergegangen – trotz Regen – und ich wusste schon nach
wenigen Metern, dass das die richtige Entscheidung war. Mir wurde deutlich
wohler. Da der Regen schnurgerade vom Himmel fiel, blieben wenigstens die
Beine einigermaßen trocken. Als er ein bisschen nachließ, mochte ich ihn
fast. Der Trailwalker ging zu Ende und wir würden nicht sagen müssen:
Naja, mit dem Wetter hatten wir aber auch ein Heidenglück. Viel
vordringlicher war der Eindruck, dass mit dem Trailwalker auch der
Sommer zu Ende geht. Der Regen trieb das Laub von den Bäumen und es roch
nach Herbst.

S wie Supporter
Ein harter Job. Die Supporter müssen die ganze Zeit über abrufbar sein,
haben aber nur wenige Stunden wirklich etwas zu tun. Sie fahren von
Checkpunkt zu Checkpunkt. Dann warten sie. Wenn sie gerade eingeschlafen
sind, rufen die Läufer an, sie seien gleich da. In der nächsten Stunde
bilden Arme und Beine eine rotierende Scheibe. Jeder will was, jeder braucht
was, jeder sucht was und ich möchte gefälligst sofort massiert werden und
habe leider vergessen, bitte zu sagen. Neben der logistischen haben die
Supporter auch eine psychologische Herausforderung zu meistern. Sie müssen
den Läufern Mut zu sprechen, sie aber vielleicht auch bremsen, wenn sie als
Außenstehendere den Eindruck haben, jemand missachtet seine Grenzen.

T wie Tunnel
Eigentlich hatte ich vor, diesen Bericht in chronologischer Abfolge der
Ereignisse zu schreiben. Ich kann es nicht, weil ich mich nicht erinnere.
Die Schritte, die Checkpunkte, die Gespräche verschmelzen und verkleben.
Sicher Trennen kann ich nur noch Tag und Nacht. Vielleicht liegt das daran,
dass ich nicht geschlafen habe. Ich kann mich an wenige Momente meines
Lebens erinnern, in denen ich so konzentriert war. Keiner dieser Momente
dauerte 30 Stunden. Anfangs dachte ich: Oje, bei der Generalprobe hatten wir
aber bessere Laune. Caren sagte irgendwann zu mir: Wir haben gute Laune. Wir
sind nur fokussiert. Als wir wanderten wollten wir zu den Checkpunkten, an
den Checkpunkten wollten wir weiter. Es gab Phasen in denen das mechanische
Klick-Klack unserer Stöcke oder das monotone Knirschen unter unseren
Schuhen das einzige Geräusch war. Ich würde nicht sagen, das ich in
meditativen Zuständen war, das wäre mir zu esoterisch. Aber es gab
Augenblicke, in denen ich leer war. In denen ich nichts dachte, nichts
wollte, nichts empfand. Augenblicke, in denen ich lief.

Und morgen? Finale. Mit folgenden Highlights:
U wie Überraschungen
V wie Vorbereitungen
W wie Wahrnehmungen
X wie * wie Sterne
Y wie Yeah und
Z wie Zeit