Schoßgebete: Geil auf’s Reden

Das Buch, dass ich gelesen habe, heißt zwar “Schoßgebete”, hat aber ansonsten mit dem im medialen Mainstream besprochenen nicht viel zu tun.

In meinem Buch ist auch viel von Sex die Rede. Im Vordergrund steht allerdings ein furchtbarer Unfall, bei dem drei Brüder der Romanheldin Elizabeth auf dem Weg zu deren Hochzeit ums Leben kamen. Dieser Unfall hat sie tief traumatisiert und dazu geführt, dass der Tod immer nur einen Gedanken entfernt ist.

Elizabeth ist permanent auf der Flucht. Sie weiß nicht, wie viel Zeit bleibt. Sie muss alles richtig machen: Richtig essen, die richtigen Zeitungen lesen, richtig wählen, ihr Kind richtig erziehen, ihre Ehe richtig führen und ja, auch richtig vögeln. Andererseits weiß sie, dass sie ihre Flucht vor dem Tod demselben geradewegs in die Arme treiben wird. Deswegen muss alles endgültig sein. Es muss abgerechnet sein: Mit der eigenen Familie, der besten Freundin, dem Ex und mit der Bild-Zeitung. Für Kompromisse ist kein Platz, für Entwicklungen ist keine Zeit.
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Ein zusammengebasteltes Selbst darstellen (Schoßgebete)

Bisher dachte ich, eine Selbstdarstellerin wäre damit beschäftigt, sich selbst darzustellen. Ich dachte, sie würde jedes Fitzelchen Aufmerksamkeit als Leinwand begreifen, auf dass sie kritzeln kann, was sie so treibt, wie hip das alles ist und wie bewundernswert. Als Lohn hierfür verlangt sie Feedback oder einfach mehr Aufmerksamkeit.

Die Lektüre von Roche’s Roman lässt mich zweifeln, ob ich die Bedeutung des Wortes Selbstdarstellerin möglicherweise missverstanden habe. Roches Protagonistin scheint nämlich (zumindest auf den Seiten 7-65) darunter zu leiden, dass in ihr überhaupt kein Selbst ist, das dargestellt werden könnte. Stattdessen mauert sie die Lücke, in der sie Individualität vermisst, bauklötzchenartig mit Allgemeinplätzen zu, von denen sie sich verspricht, dass sie sie clever und subversiv erscheinen lassen.

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Von wegen Rausch (Schoßgebete, S. 7-22)

Auch wenn man es sich anders wünscht, und auch wenn die Autorin fröhlich dazu ermuntert, sollte man nicht den Fehler begehen, in Romanen beschriebene Ereignisse mit der Wirklichkeit zu verwechseln.

Aber selbst wenn sich dieser künstlich beheizte Blowjob im Leben von Charlotte Roche nie zugetragen haben sollte, erinnert er mich doch sehr deutlich an einen überaus enervierendes Phänomen, dass mir aus eigenem Erleben aber auch aus Schilderungen von Freunden bestens vertraut ist:

Wir vögeln nicht, wir denken.

In der Schilderung von Roche nimmt der Rausch zweieinhalb Sätze des fünfzehnseitigen Fellatio-and-everything-after-Essays ein. Meiner statistisch zugegeben sehr dürftigen Datenlage nach ist das schon erfreulich viel.

Ich dachte immer, Sex sei für Körper gemacht, meinetwegen für Seelen, vielleicht sogar für Tiere. Meiner bescheidenen Erfahrung nach, bietet er aber lediglich die passende Kulisse uns zu fragen:
– wie wir gerade aussehen
– ob wir das gerade richtig machen oder es vielleicht noch besser ginge
– ob sich Außenstehende nicht möglicherweise vor Lachen ausschütten würden bei unserem Anblick
– ob wir nicht vielleicht sehr unappetitlich riechen
– ob wir laut oder leise genug sind
und warum das in Pornos alles so viel einfacher und lustvoller aussieht.

Ein physikalisches Wunder, dass überhaupt noch Blut für unsere Genitalien übrig bleibt, wenn es doch unsere Gehirne sind, die so anschwellen.

Tantra ist mir zu anstrengend und hat (auch im Bekanntenkreis) für mehr lustige als lustvolle Stunden gesorgt. Drogen helfen ein bisschen, kommen mir künstlich und unauthentisch vor. Vertrautheit hilft sehr, ist aber umgekehrt proportional zum Prickeln.

Die Gedankenlosen sind glücklicher als wir? Wirklich?
Ach komm!