Männermode: Warum kurze Hosen im Büro sehr wohl gehen

Jeden Sommer quälen mich Menschen, die in offensichtlicher Ermangelung anderer Talente Fashion-Experten werden mussten, mit Kolumnen zur sommerlichen Kleiderordnung am Arbeitsplatz. Man erkennt ihre Artikel an der Kombination der Termini “No-Go”, “Tabu” oder “nackte Haut” mit dem Wort “Büro” in der Überschrift. Daher ist es nicht schwer, sie zu überlesen. Damit ihre perfide Hirnwäsche trotzdem funktioniert, sind sie dazu übergegangen, ihre Indoktrination als Alltagstipp im Popradio oder als Ratgeberbeitrag im Frühstücksfernsehen zu streuen.

Alljährlich verhandeln sie die tolerierbare Rocklänge für Damen sowie ob Strumpfhosen sein müssen oder Zehen erlaubt sind. Gelegentlich kommt Zwist auf, ob es bei den Herren notfalls auch ohne Jackett ginge oder ausnahmsweise ohne Krawatte. Furchterregend einig ist man sich jedoch in einem Punkt: Kurze Hosen für Männer gehen gar nicht.

Ich erkläre hiermit feierlich: Das ist Mumpitz. Männermode: Warum kurze Hosen im Büro sehr wohl gehen weiterlesen

Kritik zu “Männer wie wir”: Antwort der Aids-Hilfe

Am 3. März schrieb mein Freund Klemens Ketelhut einen offenen Brief an die Macher der Kampagne “Ich weiß was ich tu” der Deutschen Aidshilfe. Ich habe den Brief hier veröffentlicht. (Für eilige Leser: Im Rahmen der Kampagne gab es eine Wanderausstellung, die unter dem markigen Titel “Männer wie wir” ausschließlich Fotos junger, muskulöser, schlanker Männer zeigte. Wir fanden den Fehler.)

Vorgestern, also genau einen Monat und einen Tag nach unserem Brief, erhielten wir eine Antwort von Matthias Kuske, dem Kampagnenmanager von “Ich weiß was ich tu”. Und die geht ungefähr so: Kritik zu “Männer wie wir”: Antwort der Aids-Hilfe weiterlesen

Männer wie wir?

Mein Freund Klemens Ketelhut, wies mich neulich auf die Foto-Ausstellung “Männer wie wir” hin, die die deutsche Aids Hilfe im Rahmen ihrer Kampagne “ICH WEISS WAS ICH TU” seit 2009 durch die Lande ziehen lässt. Warum wir uns über die Bilder erst sehr amüsiert und dann sehr geärgert haben, formuliert Klemens in einem offenen Brief, der heute an kampagne@iwwit.de versandt wurde:

Liebe Leute von IWWIT,

“ICH WEISS WAS ICH TU unterscheidet sich bildlich und textlich stark von bisherigen Kampagnen. Die Motive verzichten auf Sexualisierung mittels durchtrainierter Körper, die sonst vielfach die Bildsprache in Medien für schwule Männer prägen.”

Diese Selbstbeschreibung findet sich in dem Überblick zur IWWIT-Kampagne. Ein erfreuliches Signal. Eine Kampagne, die mit Menschen agiert. Die alltägliche Körper, Personen und deren Leben in den Blick nimmt. Wo es Leute im Rollstuhl, Leute jenseits der 25 und solche mit nicht-normierten Körpern gibt. Diversity sozusagen. Wie schön. Und lebensnah. Und mit einem hohen Identifikationspotential ausgestattet.

Und dann? Dann kommt die Foto-Wander-Ausstellung “Männer wie wir“. 60 Bilder russischer Männer. HIV-Status und sexuelle Orientierung treten in den Hintergrund. Es geht scheinbar um Menschen. Aber: präsentiert werden mir 60 Körper, die nahezu alle idealisiert sind. Jung, muskulös, schlank, durchtrainiert.
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Bildkritik: Über die Vorstellungen von Erfolg

Weil sie mit einem ausgeklügelten Schneeballsystem Tausende Anleger um ihr Geld gebracht haben sollen, sitzen die Gründer der Frankfurter S&K Gruppe, Stephan Schäfer und Jonas Köller seit letztem Dienstag in Untersuchungshaft. Der Fall an sich interessiert mich nicht besonders, aber ein offenbar privates Foto, das dazu auf welt.de veröffentlicht wurde, geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

Stephan Schäfer zeigt auf mich im elegant geschnittenen schwarzen Anzug vor einer blassgelben Neubauvilla posierend, flankiert von jungen Frauen in dunkler Unterwäsche, von denen sich fünf in zwei blitzblanken Sportwagen räkeln, zwei weitere Laufsteg-Posen vorführen und sich eine achte mit einer Flasche Champagner den Oberschenkel kühlt.

Ich verstehe, was ich sehe, aber ich bin ratlos. Bildkritik: Über die Vorstellungen von Erfolg weiterlesen

Die Top-8-Argumente für die Beschneidung von Jungen – und ihre Dekonstruktion

In einem überfälligen Richterspruch hat das Landgericht Köln in der letzten Woche entschieden, dass die religiöse Beschneidung von Jungen den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt und damit strafbar ist.

Das einzig vorstellbare Urteil am Ende eines solchen Prozesses, finde ich. Vor allem jüdische und muslimische Religionsverbände sind da anderer Meinung. Das überrascht mich nicht, aber es regt mich auf. Noch mehr habe ich mich über ein Interview geärgert, das der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis heute morgen im Deutschlandfunk gab. Die Argumente der Beschneidungs-Befürwörter sind ideologisch verbrämt oder nicht zu Ende gedacht. Meistens beides.
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Peta: Why too much sex can be a bad thing

Angekündigt war es schon lange, nun ist es soweit: Peta hat die Webseite peta.xxx live geschalten und unterhält damit eine eigene Präsenz im für Hardcore-Pornografie reservierten Kreis der Top-Level-Domains. Aufmacher der Seite sind Videos, in denen sich drei Ausnahmepornosternchen  halbnackt in Fotoshootings für Peta-Kampagnen räkeln (von denen ich eine schon an anderer Stelle besprochen habe). Dazwischen gibt’s Interviewsequenzen, in denen sie für die Kastration von Hunden und Katzen aussprechen. Begründet wird das mit folgender Gedankenkette:

  • Nicht kastrierte Haustiere vermehren sich unkontrolliert
  • überflüssige Haustiere werden ausgesetzt
  • ausgesetzte Haustiere werden entweder von Wildtieren getötet oder müssen eingeschläfert werden
  • dieses Leid kann nur verhindert werden, in dem man Hunde und Katzen kastriert

Kurios finde ich, dass die Haltung von Haustieren grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, obwohl Peta das ansonsten tut. Stattdessen wird in einem Video sogar mit einer lebenden Schildkröte posiert, die ängstlich zu fliehen versucht. Ebenso wenig wird in Betracht gezogen, dass die Kastration auch leidvoll für ein Tier sein kann (wie ich hier herausgefunden habe). Stattdessen argumentiert Ron Jeremy eher mittelmäßig wissenschaftlich:

  • Hunde zu kastrieren macht sie kein bisschen weniger männlich.
  • Kastrierte Männer wären aber sehr wohl weniger männlich als unkastrierte.
  • Männer, die männliche Hunde wollen, sind wahrscheinlich klein und fahren große Autos. (Jawohl, allen Ernstes.)

Sehr amüsant finde ich, wie Peta auf der übrigen Seite mit gängigen Pornografie-Klischees kokettiert. In der Rubrik Sexy Photos finden sich Bilder von Demonstrationen halbnackter Aktivistinnen sortiert in die Bereiche In Public, In Showers, In Cages, und With Food. Im Kapitel Hardcore Videos zeigt Peta schockierende Filme aus Tierfabriken, Schlachthöfen und Versuchslaboren. Und auf der Seite Sex Tips wird über die aphrodisierende Wirkung veganer Lebensmittel schwadroniert. Vieles ist aus anderen Kampagnen recycelt, weshalb die Seite ein bisschen zusammen geschustert wirkt.

Begründeter Sexismus

Neu ist, dass Peta ausführlich darauf eingeht, warum sie auch auf sexistische Propaganda zurückgreift, um für Tierschutz und Tierrechte zu sensibilisieren. “Jeder sollte die Freiheit haben seinen Kopf und seinen Körper als politisches Instrument zu verwenden.”, heißt es. Daher will sie ausdrücklich jeden Kanal nutzen um die eigene Botschaft zu verbreiten. Außerdem erklärt Peta, dass sie (anders als ihre industriellen Gegner) nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um mit politisch korrekter Werbung die entsprechende Aufmerksamkeit zu erzielen. Deshalb sei sie auf die virale Verbreitung der oft günstig produzierten Spots angewiesen. Die ist durch die zuverlässig aufbrausende Welle der Empörung nach jedem sexistischen Tiefschlag garantiert. Nach wie vor gilt: Sex sells. Was auch dadurch bewiesen ist, dass ich diesen Beitrag schreibe und Du ihn liest.

Erwartungsgemäß fehlt der Seite jegliche kritische Auseinandersetzung mit Pornografie. Diese ist aber gerade bei den Protagonisten der Seite durchaus angebracht bitternötig.

Sasha Grey drehte zwischen ihrem 18 und 21 Lebensjahr einhundertneunundachtzig Hardcore-Pornofilme, die sich allesamt dadurch auszeichnen, dass sie neue Maßstäbe in Sachen sexueller Erniedrigung und Brutalität setzen. Angezogen kann man Grey in einer Aufzeichnung der Tyra-Banks-Talkshow erleben, die meiner Meinung nach Bände über ihren psychischen Zustand spricht.

Jenna Jameson wurde im alter von 16 Jahren von vier betrunkenen Männern mit Steinen niedergeschlagen und vergewaltigt und darüber hinaus von ihrem Onkel sexuell missbraucht. Sie und ihre Therapeuten finden, dass das mit ihrer Pornofilmkarriere rein gar nichts zu tun hat.

Ron Jeremy hält mit eintausendsiebendhundertfünfzig Sexfilmen den offiziellen Guinness-Rekord für die größte Anzahl an Auftritten in Pornos. In seiner Karriere hat er mit über 4.000 Frauen geschlafen, darunter eine 87-jährige Seniorin. In seiner Autobiografie und zahlreichen Interviews gibt er an, sehr darunter zu leiden, von aller Welt nur auf seinen 24,5 cm langen Penis reduziert und von niemandem ernst genommen zu werden.

Und die Tiere?

Ich behaupte, dass alle drei Akteure sehr erhebliche seelische Verwundungen erlitten haben. Wenn ich sie sprechen höre, empfinde ich mehr Mitgefühl für sie als für die geschundenen Tiere, deren Leid sie zu mildern versuchen. Alle drei führen geradezu auf, wie kaputt Pornografie ihre Akteure macht. Wenn sie dann den pseudosexiesten aller Schlafzimmerblicke aufsetzen und “Sometimes, too much sex can be a bad thing.” hauchen, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.

Der mit Tierleid rein gar nichts zu tun hat.

Was mich meine Hündin lehrt

In diesen Augenblicken werden meiner Hündin Eierstöcke und Gebärmutter entfernt. Beide Organe sind entzündet und bereiten ihr Schmerzen. Das ist meine Schuld. Mir ist übel, mir ist kalt und ich fürchte mich.

Milda ist seit fünf Jahren bei mir und genauso lange habe ich mich um die Kastration gedrückt. Eine Operation erfordert immer die Verletzung des Körpers. Sie erfordert immer Narkose, Wunde und Schmerz. Möglicherweise verursacht sie ein Trauma und beschädigt das Vertrauen. Mir war das zu teuer.

Es hat mich nie gestört, dass Milda zweimal im Jahr läufig wurde und ich ihr dann permanent hinterherwischen musste. Sie ist mir auch nie ausgebüxt. Sie war immer gehorsam. Und die Idee, Eierstock- oder Gebärmutterkrebs zu vermeiden, indem man beides vorsichtshalber entfernt, erschien mir immer – ja, es ist das richtige Wort – pervers. Als würde ich mich prophylaktisch von meiner Prostata trennen.
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Ein Jahr: Ich, rein pflanzlich

Seit einem Jahr lebe ich vegan. Eine gute Gelegenheit für eine Bilanz, finde ich. Und eine gute Gelegenheit zum Verlassen der Seite für alle, bei denen Texte über Veganismus für stark steigenden oder stark fallenden Blutdruck sorgen.

Versuch’s doch einfach

Vom Bulletten-Jieper in der Zeit um mein Diplom mal abgesehen, hatte ich zehn Jahre vegetarisch gelebt, als ich eines sonnigen Abends bei meinem Freund Patrick zum Abendessen eingeladen war. Er hatte Schaschlik gemacht mit Zucchini, Paprika, Aubergine, Gurke und diesem merkwürdigen, faserigen, herzhaften Fleischersatz, den ich bis dato nur vom Hörensagen kannte.  Es war so vorzüglich, dass wir uns wegen permanent voller Münder nur in undeutlichen Wortgruppen verständigen konnten. Patrick erwähnte, dass er schon seit 1994 vegan war und manchmal mit Grauen daran zurückdenke, wie schwierig das in den Neunzigern gewesen sei. Und wie lächerlich einfach es jetzt ist. Von allen Seiten war ich plötzlich vom Veganismus umzingelt: in den Feuilletons wurden Bücher zum Thema besprochen, in meiner Facebook-Timeline erschienen vegane Rezepte, in meiner Nähe wurde ein veganer Fast-Food-Imbiss eröffnet und zwei entfernte Freunde waren kürzlich vegan geworden. Patrick zog das letzte Sojaschnetzel mit den Zähnen vom Holzspieß, stopfte es in eine Backentasche, grinste mich an und fragte: „Warum probierst du es nicht einfach?“ Obwohl ich grundsätzlich höchstens jeden zweiten Trend mitmache, fehlte es mir bei diesem an schlüssigen Gegenargumenten. Ich begann also zu lesen. Duve, Foer, Clements und ein paar vegane Kochbücher. Die China-Study war leider noch nicht draußen. Anschließend war meine innige Liebe zu Käse als einziges ungestrichenes Kontra-Argument auf meiner Liste übrig geblieben. Was mich nicht überzeugte. Ein Jahr: Ich, rein pflanzlich weiterlesen

Ein Radiointerview über Veganismus, Sexismus & PR. Richtig! Über PETA.

Tom Bond, Radiomacher bei  Corax – dem freien Radio im Raum Halle – hat sich über PETA’s jüngste “Veganer sind brutale Lustmolche”-Kampagne wohl genauso geärgert wie ich. Auf der Suche nach weiteren Informationen und Meinungen zum Spot und der dazugehörigen Website ist er auf einen Blogbeitrag von mir gestoßen. Darin veröffentliche ich die Stellungnahme, die mir PETA auf meine Fragen zur Kampagne und meinen Protest dagegen zur verfügunggestellt hat.

Tom bat mich daraufhin um ein Interview für’s Radio. Nachdem sich meine anfängliche Panik gelegt hatte und ich mich darauf besann, dass sich Menschen wie Hather de Lisle schließlich sogar in Fernsehtalkshows als Expertin betiteln lassen, fasste ich mir ein Herz.