Viel Zeit habe ich in den letzten Tagen damit verbracht, Fotos des auf Grund gelaufenen Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia anzustarren, schamhaft angesichts dessen, was ich dabei empfinde.
Die Havarie hat elf Menschen das Leben gekostet, weitere einundzwanzig werden augenblicklich noch vermisst. Fast zweieinhalbtausend Tonnen Schweröle im Rumpf des Schiffes drohen auszulaufen und eines der letzten europäischen Walschutzgebiete zu zerstören. Die vierhundertfünfzig Millionen Euro, die da mit fünfundsechzig Grad Schlagseite im Wasser liegen, sehen ihrer Verschrottung entgegen.
Trotzdem sprüht das Bild des gekenterten Riesenkreuzers in meinen Augen vor Poesie, ist eine Metapher unserer Zeit, ein Icon unserer Hybris, ein Mahnmal.
Es gibt keine andere Erklärung für die Toten, als die, dass sich Besatzung und Kapitän wegen der zertifizierten Unsinkbarkeit ihrer schwimmenden Kleinstadt in trügerischer Sicherheit ganz schläfrig gewogen hatten.
Es gibt keine Rechtfertigung für eine so dichte Passage der felsigen Küste, abgesehen vom kindischen Leichtsinn eines übermutigen Kapitäns, der einen Freund auf der nahegelegenen Insel mit den Hörnern „seines“ Schiffes grüßen – also beeindrucken – wollte.
Es gibt keinen Grund für Kreuzfahrtschiffe außer unserer zivilisierten Langeweile und der Lust am gefahrlosen, luxuriösen Pseudoabenteuer.
Inzwischen versuchen wir nicht mehr, die Elemente zu beherrschen, weil wir müssen sondern sie zu überwinden, weil wir können. Diese maßlose Selbstüberschätzung ist am Beispiel Costa Concordia gestolpert, gestrauchelt und gestürzt, wie ein fetter, dummer Besoffener, der Siegeshymnen grölend im eigenen Erbrochenen liegenbleibt.