Bisher dachte ich, eine Selbstdarstellerin wäre damit beschäftigt, sich selbst darzustellen. Ich dachte, sie würde jedes Fitzelchen Aufmerksamkeit als Leinwand begreifen, auf dass sie kritzeln kann, was sie so treibt, wie hip das alles ist und wie bewundernswert. Als Lohn hierfür verlangt sie Feedback oder einfach mehr Aufmerksamkeit.
Die Lektüre von Roche’s Roman lässt mich zweifeln, ob ich die Bedeutung des Wortes Selbstdarstellerin möglicherweise missverstanden habe. Roches Protagonistin scheint nämlich (zumindest auf den Seiten 7-65) darunter zu leiden, dass in ihr überhaupt kein Selbst ist, das dargestellt werden könnte. Stattdessen mauert sie die Lücke, in der sie Individualität vermisst, bauklötzchenartig mit Allgemeinplätzen zu, von denen sie sich verspricht, dass sie sie clever und subversiv erscheinen lassen.
Aus „normalem Antiamerikanismus“ heraus werden so beispielsweise alle „zuckerhaltigen Getränke“ abgelehnt. Als Zeitungen kommen nur „Die Zeit“ und „Der Freitag“ in Frage. Die Biogemüsebrühe ist nur ohne Hefeextrakt ok, weil Hefeextrakt grüngewaschenes Glutamat ist. Und nach der Lektüre von Jonathan Safran Foer isst man selbstverständlich vegetarisch.
Das Fähnchen wedelt zweifellos schillernd im Zeitgeist. Aber was dient denn als Fundament für den Fahnenmast?
Das Familientrauma in Gestalt eines fürchterlichen Autounfalls kommt mir jedenfalls nicht wie der zentnerschwere Betonklotz vor, der dafür taugen würde. Der Verlust ihrer drei Brüder wird wie eine handvoll lustiger Knallfrösche an den unmöglichsten Stellen in den Text geschmissen, um für effektvolle Schockmomente zu sorgen. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Unfall bleibt bisher nämlich aus.
Und die offensive Darstellung von Sexualität ist meiner Meinung nach zwar originell aber nicht besonders individuell. Wenn Elizabeth Kiehl mit Begeisterung in die Rolle einer „Sexdienerin“ für ihren Gatten schlüpft, oder gemeinsam mit demselben unter die Bettdecke einer Prostituierten, empfinde ich das mehr als Imitation ausgelatschter Männerfantasien denn als Ausdruck gegen gesellschaftlicher Konventionen erkämpfter Individualität.
Elizabeth Kiehl stellt nicht sich selbst dar. Vielmehr stellt sie im schauspielerischen Sinne dar, dass sie ein Selbst hätte.
Was mir bisher einigermaßen auf die Nerven geht.