Die Quittung kommt am Ende!

Was zum Teufel passiert da gerade in unserem Land? Man könnte ja den Eindruck gewinnen, dass die große Flucht vom sinkenden Schiff einsetzt. Roland Koch tritt zurück, weil Politik nicht sein Leben ist und Horst Köhler vermisst den Respekt vor seinem Amt. Beides sind sehr legitime Gründe sich aus der Politik zurückzuziehen. Aber selbst wenn ich mich nicht dem Echo in den Medien anschliessen will, so drängt sich mir doch der Eindruck auf, dass es ein wenig drunter und drüber geht. Und um ganz ehrlich zu sein, weiss ich gar nicht recht was ich davon halten soll, aber vielleicht kann mir ja jemand helfen ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen?!

Soweit ich es verstanden habe, möchte Roland Koch nicht mehr so richtig Politik machen, weil er andere Pläne oder Aufgaben hat. Nun kann man von seiner Politik halten was man möchte, aber was wohl unstrittig sein dürfte ist – er war ein politisches Schwergewicht. Und genau da stellt sich ja die Frage warum er gerade jetzt geht. Als ich die Nachricht las, dachte ich mir noch gar nicht soviel dabei. Ok, er ist CDU-Vize gewesen und war als Ministerpräsident von Hessen einer der Großen. Trotzdem dachte ich eher an private Gründe oder einen netten Job in der Wirtschaft. Dem Argument, dass die Politik nicht sein Leben sei, konnte ich nie recht glauben. Koch ist ein Machtmensch und wird erst dann die Segel streichen, wenn er weiß, dass der Zug abgefahren ist. Jetzt ist nur noch die Frage, welcher Zug das war?!

Und genau hier kommt Horst Köhler ins Spiel. Auch diese Nachricht kam wohl ein wenig überraschend, denn Horst Köhler mag wohl etwas dünnhäutig sein, aber er ist auch ein sehr pflichtbewusster Bundespräsident gewesen. Und ich möchte ihm auch unterstellen, dass er wusste, welchen möglichen Schaden das Amt nehmen kann, wenn er sich jetzt und in dieser Manier als erster Bundespräsident vorzeitig aus dem Schloss Bellevue verabschiedet. Als ich die Nachricht zunächst las, dachte ich tatsächlich, er hätte wohl auf eine überzogene Kritik in den Medien reagiert, aber nachdem ich ein wenig weitergelesen hatte, drängte sich mir ein ganz anderer Gedanke auf. Die Berliner Politik hat mit einer Schärfe und vollkommen überzogen auf die etwas unglückliche Formulierung reagiert. Und damit sind wir auch beim eigentlichen Grund der ganzen Sache – der politische Betrieb in Berlin gleicht einem Hühnerstall ohne Hahn. Alle kreischen und hacken aufeinander herum ohne das irgendetwas vorangebracht wird.

Und dafür gibt es meiner Meinung nach einen sehr einfachen Grund: Das was DIE ZEIT in dieser Woche so schön als System Merkel bezeichnet. Angela Merkel hat sicherlich ihre Qualitäten und ich glaube auch nicht das wir Aktivisten im Amt der Bundeskanzlerin brauchen, aber ihr ständiges Abwarten und Zögern ist dem Amt nicht würdig. Eine Bundeskanzlerin sollte gestalten nicht managen. Sie sollte sich weniger darum bemühen CDU-interne Machtkämpfe für sich zu entscheiden, sondern sich darauf konzentrieren, wofür sie bezahlt wird – Deutschland regieren und voran zu bringen. Und das geschieht nicht indem man starke Figuren neutralisiert, sondern sich mit diesen misst und gegebenenfalls verbündet. Indem man mit Reformen Probleme löst, anstatt den Stillstand im machtpolitschen Kleinkriegen herbeizuführen. Meiner Meinung nach misbraucht Frau Merkel ihr Amt, um ihre Machtposition zu erhalten. Eine Bundeskanzlerin sollte ein wenig mehr tun! Der letzte Bundeskanzler, der sich in einer solchen Strategie versucht hatte war Helmut Kohl. Auch er hat große Verdienste für unser Land genauso wie Angela Merkel, aber am Ende seiner Regentschaft galt Deutschland im europäischen Vergleich als vollkommen zurückgeblieben. Erst Schröder macht mit seiner zweifelsfrei sehr eigenen Art wieder gestaltende Politik. Das wir mit einigen Fehlern dieser Zeit immer noch zu kämpfen haben, liegt vornehmlich an den Konservativen. Denn diese haben keinen Mut zu Reformen, sondern ergötzen sich lieber am Niedergang der SPD, die sich in den Reformbestrebung aufgerieben hat.

Auch die Gesundheitsreform von Rösler wurde glattgebügelt und die Nominierung von Wulff zum Bundespräsident ist wirklich keine Zeichen zum Aufbruch. Das System Merkel ist auf Anpassung angelegt. Ganz auf das Motto – wer sich zuerst bewegt verliert. So erfolgreich Angela Merkel im Ausland sein mag, so sehr verkennt sie anscheinend, worum es in ihrem Amt geht. Sie muss Angriffsfläche für Kritik sein und sich nicht verstecken. Aber Angriffsflächen waren immer Andere – nämlich genau die, welche jetzt gehen. Hauptsache nicht zu sehr negativ auffallen. Aber wir reden hier von der BUNDESKANZLERIN – der wichtigsten politischen Gestalterin im Staat. Vielleicht wäre Angela Merkel besser Bundespräsidentin geworden?! Dort kann sie sich im Hintergrund bewegen, ruhig abwägen und gelegentlich eine Grundsatzerklärung abgeben. Bundeskanzlerinnen brauchen aber Angriffsfläche. Sie müsste eigentlich ständig und permanent im Mittelpunkt stehen. Es ist ihre Aufgabe als Erste zu agieren und nicht als Letzte zu reagieren.

Ich hoffe stark, dass Angela Merkel nicht die Tradition von Helmut Kohl fortsetzt und im Bundeskanzleramt alt werden will. In diesen Zeiten brauchen wir starke Charaktere im politischen Berlin und keine grauen Mäuse. Der politische Diskurs lebt von Charakteren, die eine Konfrontation nicht scheuen und sich auch auf unbequeme Fragen einlassen, sonst kommt am Ende eine Quitting, mit der wir alle vielleicht nicht leben wollen!