Das große Oxfam-Trailwalker-Alphabet: K – O

K wie Körper & Kotzen
Bei B wie Blasen & Blessuren beschrieb ich schon, was alles weh tat, bei R wie Regen gehe ich noch einmal darauf ein. Was aber bleibt: Wir haben es geschafft! Unsere Körper haben dieser Belastung standgehalten. Das halte ich selbst bei nüchterner Betrachtung für ein Wunder. Seit dem Traiwalker weiß ich, dass ich wenn nötig eine unermüdliche, gut geölte Maschine sein kann. Ich kann nicht rekonstruieren, wie viel ich gegessen habe, aber ich weiß, dass ich irgendwann nichts mehr essen konnte, weil mein Verdauungstrakt ein Gefühl machte, dass ich nicht zuordnen konnte. Am ehesten kann man es vielleicht als eine Mischung aus großem Hunger und starker Übelkeit beschreiben. Ich war gierig nach den Nudeln an Checkpunkt 6, gleichzeitig ekelte ich mich davor. Streckenweise fühlte es sich an wie ein Magen-Darm-Infekt, dann wieder als hätte ich den ganzen Tag nichts gegessen und nun Kreislaufprobleme wegen des Hungers. Clemens ging es ähnlich, das beruhigte mich. Irgendwann hob es mir als müsste ich erbrechen, Minuten später musste ich sehr dringend ins Gebüsch. Dann wurde es besser. Ich habe auf der Wanderung ungefähr 15 Liter Wasser getrunken und zusätzlich einige Becher Tee und eine Flasche Mate. Alle halbe Stunde musste ich pinkeln, ständig hatte ich Durst. Mit Muskel- und Gelenkproblemen hatte ich gerechnet. Aber meine Verdauung war ein Abenteuer.

L wie Launen & Laufpartner
Wir hatten ein Walkers High, ich weiß nicht wo, aber es wahr noch hell. Ein bisschen war das wie eine gemeinsame Drogenerfahrung. Wir waren glücklich, wir waren zusammen, wir waren sicher, alles schaffen zu können. Wir kamen so schnell voran und waren weniger angestrengt als gedacht. Wir sangen und lachten. Caren ahnte, dass wir das mit einem Tief würden bezahlen müssen. So kam es. Anders als bei vielen anderen Teams, die ich beobachtet habe, liefen wir nur selten zu viert nebeneinander. Meist bildeten sich zwei Pärchen, deren Konstellation jedoch völlig variabel war. Es blieben immer alle in Sichtweite, aber jeder suchte sich den Laufpartner, dessen Tempo und Gemütszustand zum eigenen passte.

M wie Müdigkeit & Morgengrauen
Die Müdigkeit war weniger schlimm als ich dachte, solange wir uns bewegten. Streckenweise habe ich die normale Atmung zwar durch permanentes Gähnen ersetzt, aber das war kein Problem. An Checkpunkt 6 saßen wir im Warmen, Clemens mir gegenüber und ich konnte sehen, wie er von Minute zu Minute kleiner und blasser wurde. Wie ich. Sobald wir wieder liefen, war es besser. Vielleicht ist dieses tägliche Schlafen aber auch nur eine lieb gewordene Gewohnheit und gar nicht unbedingt nötig. Sobald das Morgengrauen einsetzte, war die Müdigkeit verschwunden. Und so lange dauerte das gar nicht. Zu dieser Jahreszeit haben wir 9 Stunden Dunkelheit. Das ist gerade mal ein Arbeitstag. Einer von denen, an denen man sich nicht langweilt.

N wie Nacht.
Vor der Nacht habe ich mich sehr gefürchtet. Meine Angst war, dass wir in die Nacht aufbrechen würden und schon 14 Stunden Fußmarsch in den Knochen hätten, wohl wissend, dass weitere 14 Stunden vor uns lägen. Ich befürchtete, dass unser Gesichtsfeld von der Dunkelheit auf das kleine Fleckchen hellgrau reduziert würde, dass unsere Stirnlampen erleuchteten. Ich fürchtete mich vor der Kälte. Zu Recht. Aber ich konnte nicht ahnen, welchen Zauber die Nacht haben würde. Weite Strecken liefen wir (offenbar) entlang eines Flüsschens, dessen fröhliches Plätschern mich erfrischte. Wir hörten Insekten und Vögel, irgendwas raschelte im Wald, irgendwas fauchte mich grünäugig an beim Pinkeln. Manchmal, wenn ich mich langweilte, habe ich den Kopf zur Seite gedreht und das gnadenlose Schwarz bestaunt, dass sich zwischen den Stämmen auftat wie ein Tuch. Manchmal sah ich den Büschen Gestalten und Gesichter. Wenn ich meine Augen dann länger als für ein Zwinkern schloss, tanzten kaleidoskopische Muster unter meinen Lidern. Mir hat das gefallen.

O, wie schön! Doch Obacht!
Der Weg führt entlang vieler Talsperren und Stauseen. Der Hexenstieg, den man auf Etappe 2 passiert, durchstreift eine herrliche Heidelandschaft und gewährt einen weiten Blick über den Harz. Etappe 3 verläuft (man) kilometerweit entlang eines schattigen Waldwegs am Flüsschen Ucker und auch viele Passagen ohne touristisch verwertbare Namen sind wunderschön. Weil ich so auf den Weg konzentriert war, musste ich mich immer wieder daran erinnern, mal den Kopf zu heben und das auch wahrzunehmen. Die sanften Hügel, den Sonnenuntergang, einen Wasserfall. Aber Vorsicht: Der Weg ist neidisch und will die ganze Aufmerksamkeit. Sobald er deine Missachtung merkt, legt er dir einen glitschigen Stein in den Weg. Und dann wären da noch die kleinen aber zahlreichen Wegweiser, die zu verpassen sich bitterlich rächt.

Und morgen erwarten Sie:

  • P wie Pausen
  • Q wie Quatsch
  • R wie Regen
  • S wie Supporter und
  • T wie Tunnel.