Mit jeder weiteren Person, die ich in der Schlange vor dem Bäcker entdecke als ich um die Ecke biege, blase ich die Backen ein bisschen weiter auf; dann fällt die Genervtheit zu einem Lächeln zusammen. Ganz am Ende der um zwei Meter pro Person zu langen Schlange sitzt ein Hund. Es ist dieser rotschwarzweiße mit den spitzen Ohren und den eleganten, schmalen Pfötchen. Ich bin ihm gestern schon begegnet auf meiner Morgenrunde, aber er durfte nicht zu mir. Jetzt ist er dort am Fahrradständer angebunden, wo ich stehen muss; wo ich selbst dann stehen müsste, wenn ich mich über die Nähe nicht freuen würde. Er freut sich auch. Er wedelt mit seinem buschigen Schwanz als ich ihn anlache; steckt mir den Kopf zwischen die Knie, als ich mich zu ihm hocke; streckt sich, als ich ihm den Hals kratze; legt sich auf den Rücken, damit ich ihr die Brust graulen kann.
Fremde Hündin, ferne Hündin weiterlesenSchlagwort: Hunde
Starnbergs Spulwurmprinzessin
Heute war ich in Starnberg. Das ist deshalb besonders, weil es das erste und letzte Mal in meinem Leben war. Wenn es das Wort "spießig" noch nicht gäbe würde ich es freimütig für Starnberg stiften.
Dass die mannshohen Zäune um die Ufergrundstücke von parallel dazu verlaufenden Koniferenhecken noch überragt, und die mit Stahlspitzen versehenen Automatikrolltore mit mindestens zwei Kameras permanent auf Unversehrtheit überprüft werden, kann ich hinnehmen.
Aber das es hier nicht möglich ist, sich einmal im Kreis zu drehen, ohne von einem Verbotsschild unterbrochen zu werden nicht. Hier zeigt sich die Kreativität der Einwohner: Von "Hunde sind an der Leine zu führen!" über "Radfahren verboten!" bis hin zu "Betreten in Badebekleidung nich gestattet!" ist alles zu finden, was das Herz des Kuriositätensammlers begehrt.
Mein persönlicher Spitzenreiter ist eine in dreierlei Schriftgraden gesetzte Verbotstafel zum Thema Hundekot, die ich innerhalb meines einstündigen Rundganges ohne Mühe drei Mal entdeckte. Darauf wird das Mitbringen von Hunden ausdrücklich verboten, weil Hunde in öffentlichen Anlagen wortwörtlich nichts zu suchen haben. Schließlich hätten internationale Studien bewiesen, dass der Kot von bis zu 90 Prozent der Hunde mit Spulwürmern und deren Larven verseucht seien, die nicht nur für Asthma, Sehstörungen, Durchfall und Erbrechen sondern sogar für Epilepsie verantwortlich seien, weshalb Hunde insgesamt eine Zumutung für alle Mitmenschen seien.
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus: Erst wunderte ich mich über die offenbar verhaltensgestörten Starnberger Kinder, die offenbar vorzugsweise mit Hundeexkrementen spielten, um sich dabei mit Spulwürmern anzustecken, dann über die wahrscheinlich katastrophale medizinische Versorgung in der Gegend, in der die andernorts sowohl für Hunde wie für Menschen verfügbaren Tabletten gegen Parasiten wohl noch nicht bekannt sind und anschließend darüber, wie es die Starnberger wohl geschafft haben, den Kot von streunenden Katzen, wilden Füchsen, Mardern und Igeln, Möwen, Raben, Spatzen und anderem Getier keimfrei zu bekommen.
Gerade darüber hinweg gekommen irritierte mich das zum ersten Mal in meinem Leben aufkeimende aber überaus intensive Bedürfnis mitten auf dem Hauptplatz eines sehr gepflegten Stadtparkes einen riesigen Haufen Scheiße zu hinterlassen.
Ich widerstand, nahm meine fröhlich schwanzwedelnde Hündin aus Angst vor vegifteten Ködern oder Tretminen auf den Rasenflächen an die Leine und kürte sie an einen Baum pinkelnd zu Starnbergs diesjähriger Spulwurmprinzessin.
Gratulation!