Auszuräuchern: News-Parasiten im Web-Kommunismus

Auf dem gerade zu Ende gegangenem Monaco Media Forum wurde allerlei spekuliert über die Zukunft des Journalismus, die – glaubt man dem Gezeter der meisten Verantwortlichen – wohl vor allem davon abhängen wird, wer künftig für Nachrichten bezahlt.

Augenblicklich stehen sich zwei Modelle gegenüber: Nach dem traditionellen Modell bezahlen die Nutzer für den Zugang zu Nachrichten, in dem Sie beispielsweise eine Zeitung am Kiosk bezahlen, oder brav ihre GEZ-Gebühren überweisen, bevor sie die Tagesschau einschalten. Dem gegenüber steht ein neues Modell, nachdem Inhalte durch Werbung finanziert sind. Zugegeben, so neu ist das nun auch wieder nicht, wie ein Blick in eine Zeitung Ihrer Wahl beweisen kann. Neu ist nicht einmal, Inhalte ausschließlich über Werbung zu finanzieren. Das belegt Ihnen die deutsche Privatfernsehlandschaft lautstark, und vielleicht sogar noch etwas eindrucksvoller Google.

Neu ist auch nicht das Internet, in dem wir uns daran gewöhnt haben, das jede Art von Information kostenlos bereit steht. Das einzige Neue an der ganzen Diskussion ist, dass einige einflussreiche Leute der Medienbranche der Meinung sind, hier müsse dringend etwas geändert werden.

Allen voran Rupert Murdoch, bei dem man angesichts seiner gigantischen global agierenden Medienfabrik News Corp, die neben “The New York Times” und “Fox News” auch das soziale Netzwerk “MySpace” herstellt, beim besten Willen nicht um den Gebrauch des Unwortes Medienmogul herumkommt. Weil seine Fabrik im letzten Jahr fast 3,4 Milliarden Dollar Verlust gemacht hat  steht er nun freilich unter Zugzwang. Seiner Meinung nach ist es die Kostenlos-Mentalität im Internet, die seiner Firma so zu schaffen macht. Allen voran kritisiert er Google aber auch all die anderen “Kleptomanen und Parasiten”, die – im Volksmund auch Blogger genannt – alles Aufsammeln und Remixen und zu ihrem machen. Damit sei jetzt Schluss, konstatiert Murdoch. Das Herstellen von Nachrichten sei schließlich teuer: Auslandskorrespondenten, Fotografen, Experten, Redakteure, Layouter, Drucker Fahrer und Verkäufer wollen schließlich ebenso bezahlt werden wie Programmierer und Administratoren. Das zu leisten sei der weltweite Werbemarkt einfach nicht groß genug. Bei Murdochs Wall Street Journal gibt es deshalb nur noch den ersten Absatz eines jeden Artikels gratis, der Rest bleibt angemeldeten – zahlenden – Nutzern vorbehalten.

Murdochs deutscher Kollege Mathias Döpfner, seit 2002 Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG ist offenbar beeindruckt von dessen klaren Worten, selbst aber nicht ganz so mutig. Er traut sich zwar vorerst noch nicht, ganze Zeitungsportale mit einem Eingabefeld für die Kreditkartennummer abzuzäunen, wohl aber deren mobile Ableger. Die BZ, Die Welt und die Bild wird gibt es auf dem iPhone in einigen Wochen nur noch über eine eigens dafür programmierte App, bei der nicht nur Anschaffungskosten sondern auch monatliche Gebühren anfallen sollen. “Die kostenpflichtige App wird bald die einzige Möglichkeit sein, die Medienmarken aus dem Hause Springer auf dem iPhone zu nutzen.” Auch für die Angebote im normalen Internet sollen die Nutzer bald löhnen.

Allerdings sieht Döpfner selber ein, dass es ihm nicht gelingen wird, die Medienkonsumenten – also Sie! – umzuerziehen. “Konsumenten sollen nicht umerzogen werden sondern verführt.”, sagte Döpfner am Donnerstag im Rahmen einer Podiumsdiskussion die sich, wer ausreichend Erdnussflips zur Hand hat hier in voller Länge ansehen kann:

 

Die Verführung sei gar nicht so schwer. Menschenkenner Döpfner analysierte nämlich messerscharf, dass es genau sechs Dinge gäbe, für die sich der gemeine Konsument interessiert. Dies seien:

  • Sex
  • Verbrechen
  • Sport
  • Spiele
  • das persönliche lokale Umfeld
  • Geld und macht
  • und das Wetter

Wesentlich wären aber nur die ersten beiden: Sex and Crime. Und für Intellektuelle eben Eros und Thanatos. Für Informationen zu diesen beiden zahlen die Menschen seit Griechenland. Er sehe keinen Grund, warum sich das im digitalen Zeitalter ändern sollte. Liebe und Hass müssten lediglich hübsch verpackt und exklusiv aufbereitet werden und dann würde der Rubel schon ins Rollen kommen. Glaubt Döpfner.

Grundsätzlich sei er aber auch ein großer Fan von nutzergenerierten Inhalten. So sei es beispielsweise ja die Bildzeitung gewesen, die durch das Abdrucken von Presseausweisen zum Selbstausschneiden den  Nebenberuf des Leser-Reporters etabliert habe und deren “großartiges Material”  nun regelmäßig gegen Bezahlung veröffentlichte. Die pseudo-investigativen Amateur-Paparazzi mit engagierten Bloggern in einen Topf zu schmeißen, die sich wie Pitbulls in Geschichten verbeißen, die nicht immer Sensationen sein müssen ist zwar gewagt, passt aber zum Rest von Döpfners Ausführungen:

"Es ist einfach falsch zu denken, im Web müsse alles kostenlos sein. Die Theorie, dass es einen freien Zugang zu Informationen geben soll, gehört zum Absurdesten, was ich jemals gehört habe. […] Dies ist ein spätes ideologisches Ergebnis von Webkommunisten: Nur wenn alles kostenlos ist, ist es demokratisch." (Golem)

Döpfners Ausführungen gipfelten in einem Vergleich mit bestechender Logik: Bier im Supermarkt sei schließlich auch nicht gratis. Wie er auf diese Metapher kam, erklärte er nicht, wohl aber, was er damit meine: Wenn im Internet die Zukunft der Informationsverbreitung läge, wovon er ausginge, dann muss es auch dort Qualität geben. Diese aber sei nur möglich, wenn jemand bereit sei in die Herstellung dieser Qualität auch Geld zu investieren. Diese Bereitschaft wiederum setze die Aussicht auf Rendite voraus. Informationsportale im Netz brauchen demnach ein klares Geschäftsmodell das sicherstellt, dass sich diese Informationen auch auszahlen. Ohne diesen Geschäftsmodell würde nicht nur die journalistische Qualität sinken, sondern sich der Medienmarkt insgesamt erheblich verkleinern, was wiederum zulasten der Vielfalt ginge. Diese Theorie lässt sich durchaus bereits mit Fakten belegen: In Amerika ist bereits vom großen Zeitgungssterben die Rede und auch in Europa stellen die ersten Blätter ihr Erscheinen ein. Die Publikationen die bleiben müssen sparen wo es nur geht, und dies leider viel zu oft zuerst bei den Auslandskorrespondenten, auch hierzulande.

Die Herstellung von Nachrichten ist teuer. Und Döpfner hat wohl recht, wenn er warnt, dass Blogger und Suchmaschinen nichts zu verwerten, zu verbreiten oder zu remixen hätten, wenn niemand mehr qualitativ hochwertigen Content einstellt. Allerdings vergisst er, dass eben dieser Content, und zwar durchaus auch hochwertiger auch von Bloggern bereitgestellt werden kann. Dies hat sich nicht zum ersten Mal beim Aufstand im Iran vor einigen Monaten gezeigt. Das herrschende Regime konnte westliche Reporter zwar des Landes verweisen, und deren Berichterstattung so erheblich erschweren, es hatte aber vergessen, dass das Internet auch vor seinen Landesgrenzen nicht halt gemacht hat. Die Aufständigen organisierten sich über Facebook, Twitter & Co. und im Zuge der Berichterstattung schafften es YouTube-Videos von Amateuren sogar bis in die Tagesschau.

Spätestens hier zeigt sich, dass Blogger den traditionellen Journalismus erheblich bereichern können. Sie können ihn nicht ersetzen – nutzergenerierter Content muss redaktionell geprüft, editiert und aufbereitet werden. Aber das was Regierungen und Medienkonzernen der Öffentlichkeit als Wahrheit verkaufen, bedarf gelegentlich dringend einer Revision. Das kann man gerade am Beispiel von Murdochs Sender Fox News sehr schön nachvollziehen.

Obendrein sorgen Blogger und Suchmaschinen für einen erheblichen Besucherzuwachs auf einschlägigen Nachrichtenseiten, in dem sie Beiträge andere in ihrem Angebot verlinken. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Werbeeinnahmen der Inhaltsanbieter aus.

Auch das kann ein Geschäftsmodell sein. In den USA sorgt derzeit eine Plattform namens Huffington Post für Aufsehen. Hierbei handelt es sich nicht, wie der Name vermuten lassen könnte um eine weitere gedruckte Tageszeitung sondern vielmehr um einen Zusammenschluss von ca.. 2.000 Bloggern, die über alles mögliche, was ihnen bemerkenswert erscheint schreiben. Wohlgemerkt unentgeltlich. Das Portal hat im letzen Jahr seine Reichweite vervierfacht und glänzt mit 8,1 Mio. Seitenaufrufen monatlich. Dieser Erfolg ist unter anderem der Tatsache zu verdanken, dass den Bloggern regelmäßig Exklusivmeldungen gelingen, nach denen sich traditionelle Medien alle zehn Finger lecken.Von den Werbeeinnahmen können 80 Angestellte bezahlt werden. Laut Mitbegründerin Arianna Huffington gingen mittlerweile mehrere Hundert E-Mails täglich ein, in denen Inhaltsanbieter darum bitten, dass auch ihre Beiträge in der “HuffPo” besprochen würden.

Klar ist trotzdem: Die Einnahmen reichen nicht dafür aus auch die Blogger für ihre durchaus respektable Arbeit zu entlohnen. Im Gegenteil, auch Online-Community Projekte renommierter Zeitungen seien teuer und würden letztlich hauptsächlich aus den Verkaufseinnahmen der Papierexemplare finanziert. Brechen deren Absatzzahlen jedoch ein müssen neue Einnahmequellen erschlossen werden. Darüber wird auch im von mir wärmstens empfohlenen Crossover-Projekt der Freitag eifrig diskutiert.  Freitag Verleger Jakob Augstein äußerte sich unlängst auch in der 3sat Kulturzeit zum Thema paid content, und wurde dafür von seiner eigenen Community heftig kritisiert. Diese nämlich fühlte sich für ihren Beitrag zum Reiz des gesamten Projektes zurecht nicht wertgeschätzt.

Lauscht man Arianna Huffington klingt die Lösung des Problems einfach.

Ambiguity is the new exclusivity.

Wer für die durch ihn zur Verfügung gestellten Inhalte bezahlt werden wolle, solle sich vor allem darum kümmern diese an so vielen Orten im Netz wie möglich verfügbar zu machen und vor allem auf die Finanzierung durch Werbung zu setzen.

Döpfners Prognose, dass es in 10 Jahren von der Grundversorgung mit Nachrichten abgesehen nur noch kostenpflichtige Inhalte geben werde, wies sie humorvoll aber energisch zurück.

Solange Sie keine bizarre Pornografie anbieten oder sehr spezifische Information für Anleger, werden sie keinen Erfolg damit haben Ihre Inhalte einzumauern. […]

und weiter:

I am sorry to say, that even though you are incredibly convincing, you will be proven incredibly wrong.

Hoffentlich behält sie recht.

Brechen die Linken ihr Versprechen?

Mal angenommen, Sie wählen am übernächsten Sonntag CDU. Warum würden das tun?

Vielleicht, weil Sie die proklamierten Inhalte der CDU mögen, oder schon immer CDU gewählt haben, oder aus Protest CDU diesmal wählen. Vielleicht – und so unwahrscheinlich ist das gar nicht – vielleicht würden Sie aber auch deshalb CDU wählen, weil Sie wollen, das Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Vielleicht mögen Sie sie,  weil Sie das Bild, das medial von ihr verbreitet wird vertrauenswürdig finden oder weil das so wahnsinnig nett war am letzten Sonntag am Bratwurststand neben ihr auf dem Marktplatz. Vielleicht finden Sie auch einfach, dass sie einen ganz guten Job gemacht hat und wählen Sie deshalb noch einmal.

Natürlich: Solange Sie nicht im Wahlkreis “015 Stralsund, Nordvorpommern, Rügen” leben, können Sie Angela Merkel gar nicht direkt wählen sondern nur ihre Partei, das wissen Sie. Und dennoch ist jede Wahl auch eine Personenwahl. Das wissen alle.

Nehmen wir mal an, die CDU, die Sie nur gewählt haben, weil Sie Angela Merkel mögen würde nun ein solch gutes Wahlergebnis erzielen, dass sie theoretisch federführend bei der Bildung einer Regierungskoalition sein könnte. Und gehen wir mal davon aus, dass Sie Angela Merkel gewählt hätten, obwohl ihre politischen Gegner, nennen wir sie mal Steinmeier und Künast, vor der Wahl keine Gelegenheit ausgelassen hätten zu betonen, dass sie eine Regierungsbildung unter Merkels Führung kategorisch ausschließen.

Wie würde Sie es – das alles vorausgesetzt – dann finden, wenn Angela Merkel, die Sie ja gewählt haben, unter dem Druck von SPD und Grünen auf den Posten der Bundeskanzlerin verzichten würde und stattdessen ein anderer aus der Partei, sagen wir mal Roland Koch, Bundeskanzler würde?

Ich würde mich betrogen fühlen. Denn ich hätte ja Merkel und nicht Koch gewählt. 

Genauso betrogen würde ich mich fühlen, wenn nun Herr Ramelow von den Linken scheinbar großzügig und edel auf den Ministerpräsidentenposten in Thüringen verzichtet, weil Herr Matschie und Frau Rothe-Beinlich ihn – warum auch immer – nicht mögen, und stattdessen den Posten frei macht für einen, den ich eben nicht gewählt habe, den ich womöglich nicht einmal kenne.

Unbestritten hat es sich mancher anders gewünscht. Aber Fakt ist:  Die Wähler haben die Linke zur zweitstärksten Kraft in Thüringen gemacht. Entgegen, trotz oder gerade wegen aller Traumtänzer-, Sozialismus- oder SED-Nachfolge-Polemik. Wenn nun die politisch Beteiligten einen CDU-Ministerpräsidenten um jeden Preis verhindern wollen, müssen sie einen aus der Linken küren. Und zwar nicht irgend einen sondern Bodo Ramelow. Denn der ist gewählt. Alles andere ist in meinen Augen eben nicht “vernünftig” oder “solide” sondern Betrug am Wähler und Verrat an der Demokratie.

Käme es tatsächlich dazu, dass Rot-Rot-Grün in Thüringen einen Ministerpräsidenten aus dem schwarzen Zylinder direkt ins höchsten Amt des Landes hievte, wäre das aber vor allem eine bittere Niederlage für die Linke. Nicht nur, dass sie sich, dem Volk, dem Wähler und der staunenden Presse damit eingestehen müsste, dass auch sie nach der Wahl freilich nicht alles halten kann, was sie vorher kühn versprochen hat. Auch litte Stolz und Würde der Partei ganz erheblich darunter, wenn die Linke entgegen aller demokratischen Konventionen vor einem röhrenden Matschie in die Knie gehen würde, damit der künftige Ministerpräsident ihren Rücken als Steigbügel in den Chefsessel benutzen kann. Damit wäre alle anderen Parteien in ihrer ebenso arroganten wie hilflosen Haltung bestätigt, die Linke auch künftig angestrengt ignorieren zu dürfen – und zwar auch dann, wenn sie im Schatten astronomisch hoher linker Wahlergebnisse eigentlich vor Neid erblassen sollten.

Die Linke würde unsanft auf dem harten Pflaster der Realpolitik aufschlagen und müsste dann strauchelnd einsehen, dass die ordentlichen Regeln hier für sie trotz allem nicht gelten.