Lebwohl Whatsapp, hallo Threema!

Vielleicht bin ich altmodisch, aber: Wenn ich Nachrichten an meine Freunde versende, sollen sie meine Freunde erreichen und sonst niemanden. Whatsapp ist in meinem Umfeld zum Standardkanal für Zwischendurch-Kommunikation geworden. Aber ich rufe zum Boykott auf und mache ab sofort nicht mehr mit.
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Prism: Wie erklären wir das unseren Kindern?

Ich bin gelähmt. Ich bin entsetzt. Ich schaudere. Ich fürchte mich. Ich bin wütend. Ich fühle mich manipuliert. Verarscht. Verraten. Beraubt. Ich fühle mich entwürdigt. Ich komme mir naiv vor, gutgläubig und dumm.

Ich hatte mir vorgenommen, zu warten, bis ich wieder klar sehe, bevor ich darüber schreibe. Aber ich beruhige mich nicht. Alles wird unüberschaubarer, ungeheuerlicher, bedrohlicher. Ich bin gut darin, meine Gefühle zu beschreiben, aber es geht nicht um mich. Ich bin gut darin, mich zu echauffieren, aber das wird nichts nützen. Ich kenne mich ein bisschen aus mit totalitären Systemen und Computern, aber auch das reicht nicht.

Ich sitze auf meinem Fensterbrett und schaue der Stadt beim Blinken zu. Ich muss über Begriffe wie Gesellschaft, System, Staat und Macht nachdenken. Immerzu. Ich versuche zu begreifen, was Freiheit ist und Demokratie. Ich frage mich, wie wir uns dieses Idealen annähern könnten. Ich frage mich, wer “wir” ist. Prism: Wie erklären wir das unseren Kindern? weiterlesen

Ich habe Angst vor Ärzten und ich kann das erklären

Ich bin 32 Jahre alt und gesund. Hoffe ich. So sehr. Ich habe Angst vor Ärzten und ich kann das erklären.

Ich gehöre zu den Männern Menschen, die Arztbesuche soweit aufschieben, wie es nur geht. Ich bin einer von denen, die ab Juni an ihre jährliche Zahnarztvorsorge denken, aber erst am Abend des 22. Dezember der entnervten Sprechstundenhilfe gegenübertreten, um unter Einsatz allen verfügbaren Charmes einen Termin noch in diesem Jahr zu erbetteln. Einmal, als ich drei Jahre lang nicht mutig genug war, zum Zahnarzt zu gehen, und mir die Ärztin an einem dieser Dezemberabende kühl eröffnete, bis Mitte März des nächsten Jahres neun meiner Zähne sanieren zu wollen, bin ich unumwunden in Tränen ausgebrochen. Zwölf Mal wollte sie mit Bohrern, Schleifern, Saugern, Schläuchen und Metalllegierungen in meinen Kopf eindringen, ohne mir den Segen einer Vollnarkose zuteil werden zu lassen! Das ging nicht. Nirgendwo fühle ich mich ausgelieferter, als auf dem Behandlungsstuhl einer Zahnärztin. Ich bin sehr stolz darauf, dass mein Gebiss mittlerweile komplett saniert ist. Natürlich nicht von diesem sadistischen Monster, sondern von einer engelsgleichen Zahnfee mit dunkler Dauerwelle, die sich – mutig die Realität leugnend – von winzigem Löchlein zu winzigem Löchlein gefaselt hat. Bitte: Ich möchte von Zahnärztinnen angelogen werden. Ich habe Angst vor Ärzten und ich kann das erklären weiterlesen

10 Sätze über „ein gewisses Unbehagen“ gegenüber der Adoption durch Homosexuelle

Nachdem das Bundesverfassungsgericht letzte Woche klargestellt hat, dass verpartnerte homosexuelle Paare verheirateten heterosexuellen Paaren steuerlich gleichgestellt werden müssen, gibt es nur noch ein Privileg, das  gemischtgeschlechtlichen Eheleuten vorbehalten bleibt: die Adoption von Kindern.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier sagte dazu gestern gegenüber dem Spiegel, dass ein eventuelles Adoptionsrecht ein viel schwierigeres Thema sei, als die steuerliche Gleichstellung; schließlich gehe es beim einen nur ums Geld, beim anderen aber (Sie ahnen es!) ums Kindeswohl. Nachdem er einräumte, dass selbstverständlich auch Homosexuelle Kinder liebevoll erziehen könnten, heißt es weiter: 10 Sätze über „ein gewisses Unbehagen“ gegenüber der Adoption durch Homosexuelle weiterlesen

An die gelangweilten Herren Journalistinnen

Benjamin Haerdle veröffentlichte am 4. Juni auf Spiegel-Online einen Artikel über eine Sprachreform an der Uni Leipzig. Wahrscheinlich war ihm langweilig oder er ist jung und brauchte die Klicks; der im Artikel verhandelte Beschluss jedenfalls wurde schon vier Wochen vorher gefasst. Er besagt, dass in der neuen Grundordnung der Universität Leipzig erstmals das generische Femininum verwendet wird. Und ja, das ist schon alles.

Beispielsweise wird statt von Professoren*, Professoren/Professorinnen, Professoren und Professorinnen, ProfessorInnen, Professor_innen oder Professor*innen künftig lediglich von Professorinnen die Rede sein.

Möglicherweise konnte Herrn Haerdle nach dem Schreiben seines Artikels dessen spannendes Momentum selbst nicht entdecken, weshalb er eine fetzige Überschrift versuchte: An die gelangweilten Herren Journalistinnen weiterlesen

Offener Brief zum Thema Schwul-Unterricht

Vorgestern veröffentlichte das Mitglied der Landespressekonferenz Sachsen, Andreas Harlaß, auf bild.de einen unerträglichen Artikel mit dem Titel: “Irre Idee aus Sachsen: Linke wollen „SCHWUL–Unterricht“ einführen”. Darin behandelt er einen Vorstoß der LINKEN zur Ausweitung der Aufklärung an Grundschulen. Wie bei BILD üblich, ist der Inhalt des Textes mit dem Überfliegen der Überschrift verstanden: Herr Harlaß findet’s doof, ja sogar ungeheur gefährlich. Die sächsischen Schulaufklärungsprojekte haben darauf bereits mit einer gemeinsamen Presse-Erklärung reagiert, die alle von BILD provozierten Irritationen klärt.

Offen bleibt aus meiner Sicht nur eine einzige Frage: Wie muss man eigentlich drauf sein, um so einen Text zu verfassen? Um dies zu klären, schickte ich Herrn Harlass gerade folgenden offenen Brief: Offener Brief zum Thema Schwul-Unterricht weiterlesen

Warum “Hätte ich bei dir gar nicht gedacht!” kein Kompliment ist

Coming Outs habe ich mir abgewöhnt. Ich erspare mir so viele Peinlichkeiten und Albernheiten und bin ein zufriedenerer Mensch. Im Gegenzug nehme ich billigend in Kauf, für hetero gehalten zu werden, bis mein Gegenüber realisiert, dass ich es nicht bin.

Meist passiert das sehr beiläufig. Zum Beispiel, wenn Kollegen vom Wochenende mit ihrer Frau erzählen und ich vom Wochenende mit meinem Mann. Oder wenn Kolleginnen über den Sex-Appeal von Bradley Cooper verhandeln und ich mich dazu adäquat äußern kann. Oder wenn jemand das 2-Männer-mit-Hund-Foto auf meinem Handy-Sperrbildschirm bemerkt. Das Schöne an dieser Meta-Kommunikation ist: Es muss nicht darüber gesprochen werden. Wozu auch? Mein Begehren ist erstens nicht zu diskutieren, weil es zweitens meine Sache ist und drittens keine große. Zudem verlangen verbalisierte Reaktionen oft ein Höchstmaß an Selbstbeherrschung von mir.

Die beliebteste Reaktion nämlich ist: Warum “Hätte ich bei dir gar nicht gedacht!” kein Kompliment ist weiterlesen

Liedeserklärung: Atoms for peace – Default

Ich finde es schwierig über Musik zu reden. Noch stärker als bei anderen Themen, riskiert man hier, die Blüten des eigenen Geschmacks mit objektiven Kriterien zu verwechseln. Darauf, was schlechte Musik ist, kann man sich einigen. Was aber ist gute Musik? Für alle, die sich vor Subjektivität nicht fürchten, gibts eine einfache Antwort: Gute Musik erkennst du daran, dass sie dich berührt.

Mich berührt zurzeit Default von Atoms For Peace. In meiner Jugend in den 90ern, war ich sehr fasziniert von dem Gedanken, einen Jahrtausendwechsel mitmachen zu dürfen. Millennium war am Ende auch nur ein Silvester, das musste ich einsehen. Keine Stromausfälle, keine kollabierten Bank-Systeme, nichtmal einen vernünftigen Rechnerabsturz zuhause gab es. Und dennoch barg das Jahr Zweitausend ein Versprechen von Zukunft, ja von Sci-Fi, das in Neunzehnhundertneunundneunzig niemals gepasst hätte. Oft habe ich mich gefragt, wie sich dieses neue Jahrtausend anfühlen würde. Und weil sich Lebensgefühl und Musik ja zueinander verhalten wie Wetter zu Kleidung, fand ich es ungeheuer spannend, mir vorzustellen, wie 2000plus wohl klingen wird. Nach 13 Jahren einundzwanigstem Jahrhundert hat die Menschheit verstanden, wie es klingen muss: Folgendermaßen.
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Kritik zu “Männer wie wir”: Antwort der Aids-Hilfe

Am 3. März schrieb mein Freund Klemens Ketelhut einen offenen Brief an die Macher der Kampagne “Ich weiß was ich tu” der Deutschen Aidshilfe. Ich habe den Brief hier veröffentlicht. (Für eilige Leser: Im Rahmen der Kampagne gab es eine Wanderausstellung, die unter dem markigen Titel “Männer wie wir” ausschließlich Fotos junger, muskulöser, schlanker Männer zeigte. Wir fanden den Fehler.)

Vorgestern, also genau einen Monat und einen Tag nach unserem Brief, erhielten wir eine Antwort von Matthias Kuske, dem Kampagnenmanager von “Ich weiß was ich tu”. Und die geht ungefähr so: Kritik zu “Männer wie wir”: Antwort der Aids-Hilfe weiterlesen

April, April!

Aber ihr mögt keine Aprilscherze. Aber ich verstehe das nicht. Manche sind so liebevoll gemacht! Manche sind  so bittersüß zynisch! Manche irrlichtern so farbenfroh herüber aus der Welt der Durchgeknallten-aber-Fröhlichen! Manche sind so hilflos fremdschämig-humorlos!  Ich kann das nicht erklären. Aber vielleicht vorführen.

Hier eine Auswahl der Scherze, über die ich heute wirklich gelacht habe:

1. David Hasselhoff vermittelt im Atomkonflikt mit Nordkorea. (tagesschau.de)

2. Die Teilnahmefrist für den Videowettbewerb YouTube endet.  (GoogleWatchBlog)

3. Google führt den neuen Dienst Google Nose ein. (Google)

4. Nokia bringt eine Mikrowelle mit PureFood-Kamera auf den Markt (Nokia)

und mein persönlicher Spitzenreiter:

5. Der LSVD Sachsen gründet Institut zur Heilung von Heterosexualität (queer.de)

Was denn? Kein einziges Mal gelacht? Ist ja schon gut. Ich hör ja auf.