Die Verbrechen um Charlie Hebdo haben mit dem Islam nichts zu tun. Imame sagen das, Thomas de Maizière sagt das, sogar Francois Hollande sagt das. Trotzdem ist das leider Unsinn.
Doch, ich kenne den Unterschied zwischen Islam und Islamismus; zwischen Religion, Fundamentalismus und Fanatismus. Ich habe im Koran gelesen wie in der Bibel und ich könnte nicht sagen, welches der beiden Bücher brutaler oder radikaler ist; von Liebe handelt meinem Leseverständnis zufolge jedenfalls keines von beiden. Ich weiß auch, dass es “den Islam” nicht gibt, weil sich Muslime viel dezentraler organisieren als beispielsweise Katholiken. Und mir ist ebenso klar, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime in Frieden leben will.
Fakt ist aber, dass sich die Attentäter von Paris ebenso wie andere vor ihnen, ebenso wie die Monster des IS auf der anderen Seite der Welt, auf genau diesen Islam und die ihm zu Grunde liegende Schrift berufen. “Allah ist groß” wurde gerufen, nach dem die Journalisten James Foley und Steven Sotloff vor laufender Kamera enthauptet wurden. “Allah ist groß” schallte es auch am Mittwoch durch die Straßen von Paris, nach dem Mörder die Redakteure von Charlie Hebdo und anschließend einen am Boden liegenden Polizisten durch Schüsse in den Kopf getötet hatten.
Dass man sich vor Verallgemeinerungen hüten muss, kann man nicht oft genug einwenden. Verallgemeinern ist sehr verlockend, weil es greifbare Feindbilder schafft. Aber Verallgemeinern ist eben leider auch ausnahmslos immer falsch. Dennoch hat “der Islam” ein Problem, dass zu leugnen oder zu beschwichtigen ich für sehr gefährlich halten.
Radikale gewaltgeile Irre drohen die Deutungshoheit zu übernehmen. Durch den Horror, den sie verbreiten, werden sie zu den am stärksten medial wahrnehmbaren Akteuren des Islam. Die Trauer, die Ablehnung und die Wut, die ihre Taten auslösen, prägen sich ein, als die ersten Gefühle, die aufkeimen, wenn vom Islam die Rede ist. Fast ist es, als nähmen blutrünstige Verbecher den Islam als Geisel. Denn diffuse, ablehnende Gefühle sind mächtiger als uns lieb sein kann, das lässt sich anhand der Pegida-Bewegung sehr schön studieren.
Der französische Imam und Direktor des Al-Ghazali-Instituts der Großen Moschee in Paris, Djelloul Seddiki, räumt in einem Interview ein, dass “der Islam” einen internen Konflikt “mit radikalisieren fehlgeleiteten jungen Männern” hat, sagt aber auch, dass er es leid ist, sich nach jedem islamistischen Anschlag gebetsmühlenartig davon distanzieren zu müssen. Genau das ist aber sein Los, fürchte ich. Er darf nicht müde werden, dies wieder und wieder zu tun.
Ich kenne nur zwei Muslime persönlich. Einen davon – er konvertierte erst im letzten Jahr – traf ich heute zufällig. Es war ein Gespräch zwischen Tür und Angel, weshalb ich darum bitte, die Unverhältnismäßigkeit seines Vergleiches zu entschuldigen und sich stattdessen auf die Schippe Wahrheit zu konzentrieren, die darin steckt:
“Der Islamismus ist für den Islam, was der Hooligan für den Fußball ist. Die Hooligans haben mit echten Fans nichts zu tun, vielleicht interessieren sie sich nicht einmal für Fußball, sondern nur für Gewalt. Trotzdem ist es das Problem der Fußballvereine, die Hooligans loszuwerden. Hooligans machen das Image der Vereine kaputt, sie treiben die Leute aus den Stadien und können Vereine in den Ruin treiben. Die Vereine müssen sie abschütteln. Teils machen sie das über soziale Arbeit, teils durch Kooperation mit der Polizei, teils durch öffentliche Stellungnahmen und Verurteilungen. So muss es der Islam auch machen.”
Angesichts der vergleichsweise niedrigen Zahl an Moslems in Westeuropa und mit Blick auf die dezentrale und finanzschwache Struktur des organisierten Islam in unseren Breiten, ist das wohl leichter gesagt als getan, aber: Es muss “dem Islam” gelingen, als eine friedliche, moderne und liebevolle Religion wahrgenommen zu werden. “Der Islam” muss es schaffen, neben dem Islamismus überhaupt wahrgenommen zu werden. Denn angesichts Tausender Menschen auf Dresdens Straßen ist der Unterschied zwischen beidem wohl längst nicht jedem geläufig. Jedoch zu erwarten, dass diese langwierige und kräftezehrende Arbeit von jenen geleistet wird, die “dem Islam” heute skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen, ist fahrlässig naiv.
Quellen und Weiterführendes:
http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-01/charlie-hebdo-moscheen-freitagsgebete-imame
Sehr interessanter Artikel. Hoffe Sie veröffentlichen in regelmäßigen Abständen solche Artikel dann haben Sie eine Stammleserin gewonnen. Vielen dank für die Informationen.
Gruß Anna