Auch wenn der Hintergrund sehr ernst ist, kommt es mir manchmal wie ein Spiel vor: Neonazis und Gefolgschaft melden Demonstrationen für reinrassigere Deutschtümelei an und Tausende Leipziger machen es sich zur Aufgabe, ihre braunen Aufmärsche gar nicht erst vom Fleck kommen zu lassen. Das ist zwar erfreulich, bedeutet aber leider nicht, dass man sich als Schwarze/r in Leipzig wohlfühlen kann, wie u.a. bei Ali Himpenmacher nachzulesen ist. Wir Leipziger achten lediglich sehr auf unsere Außenwirkung. Ein Pegida-PR-Desaster wie es Dresden gerade erlebt, würden wir uns niemals erlauben. Stadt der Wende, Leipziger Freiheit und so.
Deshalb war es zwar beachtlich aber für mich nicht überraschend, dass letzten Montag 35.000 Menschen für die Vielfalt und gegen die irrationalen Ängste der Legida-Anhänger auf die Straße gegangen sind. Ich befürchte allerdings, dass es am kommenden Mittwoch, wenn Legida in die zweite Runde geht, deutlich weniger Menschen sein könnten. Grund ist die schlechte Ordnung der Demonstrationszüge durch die Polizei. Leipzig nimmt Platz ist wichtig und richtig. Meine körperliche Unversehrtheit ist mir allerdings wichtiger.
Meine Freunde und ich sind letzten Montag in der Demo mitgelaufen, die sich vom Nikolaikirchhof über den Ring, die Karl-Tauchnitz-Staße und schließlich die Friedrich-Ebert-Straße zum Waldplatz bewegte. Ich kann nicht sagen, wie viele Menschen diese Route wählten, weiß aber, dass die Friedrich-Ebert-Straße zu Spitzenzeiten über drei Viertel ihrer Länge mit Gegendemonstranten gefüllt war. Das klingt toll, das sah auch toll aus, das fühlte sich nur leider nicht so toll an. Besonders für jene nicht, die sich am Kopf dieses Demonstrationszuges befanden. Der nämlich endete abrupt als er auf den ohnehin schon völlig überfüllten Walplatz traf. Dort ging nichts mehr. Kein Schritt vor, kein Schritt zurück.
Und über unseren Köpfen: Der Geist einer friedlichen, multikulturellen Gesellschaft. (lila) ❤ #nolegida pic.twitter.com/v5mlsPQnBZ
— Ronald Gerber (@kopfkompass) 12. Januar 2015
Die Menschen auf der Friedrich-Ebert-Straße drängten auf den Waldplatz und niemand sagte ihnen, dass sie da nicht mehr hin passen würden. So erhöhte sich der Druck auf jene, die sich schon auf dem Waldplatz befanden. Das alles kann passieren, wenn ungefähr dreimal so viele Menschen zu einer Demonstration kommen, wie erwartet. Dann aber muss durch die Polizei flexibel reagiert werden. Das Schaffen von Fluchtwegen ist kein Hexenwerk.
Als den ersten Gegendemonstranten kalt wurde, sie pinkeln mussten oder sich in der Enge einfach so unwohl fühlten, dass sie die Demonstration gern verlassen wollten, stellte sich nämlich heraus, dass dies nicht möglich war. Sowohl der Zugang zur Wilmar-Schwabe-Straße (Westen) als auch der Zugang zur Jahnallee (Osten) war durch Polizeiwagen uns Zäune versperrt, so dass ein Abfluss der Demonstranten nicht möglich war. Lediglich Anwohner, die ihre Anwohnerschaft durch ihre Personalausweise beweisen konnten und Personen, die gesundheitliche Probleme glaubhaft machten, durften den Demonstrationszug nach intensiver Einzelkontrolle durch Polizeikräfte verlassen. Den übrigen eingekeilten Menschen wurde durch die Ordnungskräfte empfohlen, “die Demonstration auf dem gleichen Weg zu verlassen, den sie gekommen waren.” Allen Ernstes.
Mach das mal. Kämpfe dich mal durch drei bis vierhundert Meter in Gegenrichtung drängende Demonstranten, an das Ende einer Demonstration. Man muss weder Klaustrophobiker noch Soziopath sein, um das sehr unangenehm zu finden. Wir haben dafür fast 30 Minuten gebraucht und sind mindestens zwei Dutzend Menschen auf die Füße getreten.
Die Stimmung am Kopf der Friedrich-Ebert-Straße war entsprechend angespannt. Das Gedränge und Geschubse hat die Menschen gestresst und meinem Empfinden nach hätte ein Böller oder ein geworfener Pflasterstein gereicht, um die Demonstranten – verständlicherweise – in Panik zu versetzen. In einer von der Polizei künstlich geschaffenen Sackgasse hätte das leicht in einer Katastrophe enden können. Zumal es gezündete Böller gab. Und fliegende Pflastersteine. Und brennende Autos. Nur eben glücklicherweise etwas später, als außer uns schon einige Tausend andere Demonstranten nach Hause gegangen waren.
Viele mit denen ich spreche, haben das ähnlich brenzlig empfunden. Viele sind sich, auch angesichts des hirnlosen linksextremen Randale-Intermezzos vom Donnerstag, unsicher, ob sie am 21.01. selbst wieder Gesicht zeigen. Zumal es ja inzwischen auch eine Online-Petition gegen Legida gibt, durch die sich viel gemütlicher demonstrieren lässt.
Ich werde da sein. Und meine Freunde auch. Wenn auch sicher nicht mehr in der ersten Reihe. Legida darf nicht laufen.
genau so war es! ich kam sehr gut gelaunt und mit allerhand interessanten gesprächspartnern an den waldplatz heran, blieb dort stehen und wartete. es dauerte nicht lange und die nachfolgenden demonstranten drückten und schoben und schoben. die ersten fingen an um sich zu schupsen; eine stieß mir die faust in die seite und rang nach luft; eine andere zerrte an meinem rucksack und klammerte sich daran fest. wer nun dachte, er kann die demo beenden wie er sie begann: und zwar freiwillig, wurde schockartig belehrt. die polizisten ließen niemanden durch und sprachen in einem fast gelangweilt höflichen ton” bitte gehen sie die straße zurück, durch die sie gekommen sind” meine einwand, dass dem ca. 35 drängelnde menschen entgegenstehen, beantworteten sie mit dem “klugen” gedanken an den hauserwänden entlang zu gehen.
die stadt leipzig muss in erinnerung an die schrecklichen ereignisse der love-parade auf ausreichend fluchtwege achten. es kann nicht sein, dass jedes leere dorfkino einen gut ausgeschilderten notausgang besitzen muss und bei nichteinhaltung sofort geschlossen wird. leipzig hingegen für 35.000 friedliche demonstranten auf fluchtwege komplett verzichtet(legida hatte fluchtwege). so habe ich mir demonstrieren für eine offene, von ängsten befreite welt, nicht vorgestellt.
nun muss ich abwägen: meine unversehrtheit oder die des Asylanten. ich finde es von den veranstaltern unfair, vor diese entscheidung zu stellen.(einfach mies)
also ich war direkt am waldplatz. von der bühne wurde mehrfach aufgefordert für die noch nahenden leute platz zu schaffen. dem wurde auch nachgekommen. jahnallee stadtauswärts war die ganze zeit komplett frei. den frust kann ich allerdings verstehen. aber diesmal wird es ja andernorts stattfinden & ich bin wieder dabei.
mir erging es ähnlich. ich war an der spitze angekommen-mitten auf dem waldplatz. doch die megafone waren nicht mega, es wurde eisig kalt, nach zwei stunden des wartens. ich wollte heim, ich wollte raus aus der menge. als ich mich an den rand geschlagen hatte, schickte mich die polizei zurück. einmal komplett gegen den strom. ich war wütend. erst nach 40 minuten hatte ich das ende erreicht. wie engel kamen mir dann die sanitäter vor, die mit heißen krümeltee auf mich warteten und riefen: warmer tee gegen braune soße. ich überlege noch, ob ich mittwoch komme. das ist mist.
auch wir waren da. zunächst im friedensgebet in der nikolaikirche und dann sind wir über den ring gelaufen, bis wir schließlich irgendwo auf der friedrich-ebert-straße anhalten mussten, weil nichts mehr VOR ging und – wie man bald feststellte – auch kaum mehr etwas ZURÜCK! informationen oder gründe gab es keine, nur (und das war offensichtlich) bewegen konnte man sich nicht mehr… ich werde zwar auch am mittwoch wieder da sein, aber ich hoffe, dass es diesmal besser organisiert wird!