Ich liebe musikalische Jahresrückblicke auf anderen Blogs und veranstalte deshalb diesjahr (ich kann doch nicht ernsthaft “heuer” schreiben!) selbst einen. Vielleicht sogar zwei. Heute geht es um Empfehlung ganzer Platten, demnächst vielleicht noch um einzelne Songs. Musikempfehlungen, die nicht von Algrorithmen sondern von echten Menschen ausgesprochen werden sind das Vinyl der Zwanzigzehner, ich sag’s euch. Um sich für die nun folgende Liste zu qualifizieren genügte es übrigens, dass mir die Platten dieses Jahr in die Hände gefallen sind. Wann sie erschienen ist mir schnurzpiepegal.
#1. NMZS & Danger Dan: Aschenbecher
Theoretisch mag ich Rap, weil ich Beats und Basslines mag und ein guter Song in meinen Augen nicht unbedingt eine symphonieverdächtige Melodie haben muss. Praktisch hasse ich Rap, weil ich Sexismus, Homophobie und dümmliches Gedisse hasse und Rap nicht selten eine Kombination dieser Zutaten ist. Es gibt intelligenten Rap, ich weiß das, auch queeren, nur kommt mir der meistens zu sehr aus dem Kopf und zu wenig aus dem Bauch. Mit Aschenbecher wurde der Welt eine Platte geschenkt, die wie von zwei Taugenichtsen aus der Hüfte geschossen angestolpert kommt und dich immer wieder zum Lachen bringt, nur um dich dann am Herzen zu packen: Runterzuziehen, aufzubauen, runterzuziehen und aufzubauen. Alles zynisch, alles grausam, alles sinnlos. Aber noch lange kein Grund, das Staunen aufzugeben. Eigentlich. NMZS hat sich im März das Leben genommen. Ich hasse das. Und ich hasse diese Patina, die dadurch über allem liegt, was er hinterlassen hat. Lieblingslied: Echt schwierig. Eigentlich unmöglich. Meinetwegen: Tapetenwechsel.
#2 Tricky: False Idols
Endlich: Die Massive Attack-Platte, die sich Massive Attack seit Jahren aufzunehmen weigern. Treibend, mysteriös und sexy. Pathetisch? Oh ja. Irgendwie Neunziger? Vielleicht ein klitzekleines bisschen. Aber klug. Jeder Song auf die Elemente reduziert, die er wirklich braucht. So kann beim Hören alles genau untersucht und brillant gefunden werden. Die Zwischenräume voller Dunkelheit. Die Zigarette, die du unter dem Vordach des Clubs mit dem komischen Typen rauchst, der noch nie hier war, der nicht viel sagt, aber der deinen Blick so lange hält, bis du bereitwillig aufgibst. Lieblingslied: Parenthesis.
#3 John Grant – Pale Green Ghosts
Die Wahrheit ist: Ich mochte erst John Grant und dann seine Musik. Ich habe einen Beitrag über ihn in der Kulturzeit gesehn und mir gefiel dieser erfrischend unprätentiöse Mensch, der im Wohlpulli sehr persönliche Wahrheiten verkündete. Er sprach über seine Depressionen und sein spätes Coming Out in einer ultrareligiösen Familie und wie peinlich ihm seine Songs manchmal seien. Da er aber behauptete, Songs machen sei das einzige, dass er einigermaßen könne, wollte ich mich überzeugen. Und fand: eine authentische Singer/Songwriter-Platte für deren Aufnahme die Gitarre einfach an der Wand hängen gelassen wurde, weil die Synthesizer und Drum Machines viel mehr Laune und viel weniger Hornhaut an den Fingerspitzen machen. Lieblingslied: Pale Green Ghosts.
#4 Naima Husseini: Naima Husseini
Ich gebe zu: Naima Husseini ist nicht das beste Album von Naima Husseini. Leider ist es jedoch das einzige, dass sie bisher aufgenommen hat. Und es zeigt ihr Potential: Frau Husseini spielt gern, fühlt gern, kämpft mit Freude um und gegen Worte und hat dabei keine Angst vor Krach. Ich mag ihre erfrischende Ehrlichkeit und ihren Mut für Experimente. Seit dem Erscheinen ihres Albums sind jedoch zwei Jahre vergangen und das merkt man sehr, wenn man Naima Husseini live sieht. An dieser Stelle möchte ich meiner Kabelgesellschaft danken: Sie verdonnerte mich neulich zu einem Sendersuchlauf und als er fertig war, empfing ich plötzlich den freshen Jugendsender joiz bei dem Naima Husseini augenblicklich dieses Lied für mich anstimmte. Lieblingslied: Ohne dich.
#5 Elbow: The seldom seen kid
Dieses Album lief auf dem Weg zur Generalprobe für den Oxfam Trailwalker, den ich im Sommer gelaufen bin. Einige meiner Mitstreiter waren schon sehr vertraut damit und sangen die schönsten Passagen mit. Ich kannte es noch nicht besonders gut, stimmte aber auch irgenwann mit ein. Die Landschaft zog an mir vorbei und ich hatte dieses Gefühl: Wir fuhren unter einem hellen Stern. Und obwohl ich mich fürchtete vor dem, was vor uns lag, war ich: Glück. Ich hörte die Platte daraufhin eigentlich immer, wenn ich mal alleine für den Lauf trainierte. Dass die Trailwalker-Geschichte gut ausgegangen ist, macht die Platte noch besser. Für mich bedeutet sie Zuversicht, Zusammensein mit Freunden und das am Ende alles irgendwie gut wird. Lieblingslied: Mirrorball.
Ich hab auch 5 Platten:
Elbow – the seldom seen kid (kein witz!!) lieblingslied: starlings
James Vincent McMorrow – Early in the Morning lieblingslied: we don’t eat
Snarky Puppy – groundup lieblingslied: thing of gold
Adele – 21 lieblingslied: one and only
Alan Menken – Tangled lieblingslied: mother knows best
let’s make this an annual thing 🙂