Über die Vor- und Nachteile von E-Readern ist alles gesagt. Sie sind leicht, klein und drahtlos befüllbar, aber die darauf gespeicherten Bücher bleiben virtuell, lassen den Geruch und die Haptik von Papier vermissen und ruinieren den stationären Buchhandel.
Und trotzdem habe ich das Bedürfnis, auch noch meinen Senf dazu zu geben.
Ich besitze seit Weihnachten einen Kindle Paperwhite, auf dem ich inzwischen drei Bücher gelesen habe. Für meine Verhältnisse ist das astronomisch viel. (Dass das an der Kindle Leihbücherei nicht liegen kann, habe ich hier erklärt.) Der meiner Meinung nach allergrößte Vorteil eines E-Readers war mir nämlich gar nicht klar, als ich das Ding auf meinen Wunschzettel packte.
Lesen war noch nie so ergonomisch:
- Das Gerät hat die perfekte Größe, um es mit einer Hand zu halten. Es ist so konzipiert, dass ich auch mit einer Hand umblättern kann. Die zweite Hand kann ich endlich so unter mein Kissen stopfen, dass ich auch wirklich bequem liege.
- Der Kindle ist so leicht, dass weder meine Hand noch mein Arm bisher auch nur ein einziges Mal ermüdet ist. Die Zeit, die ich früher mit der Konstruktion komplexer Buchhaltesysteme aus Bettzeug verbracht habe, verbringe ich jetzt lesend.
- Der Bildschirm ist beleuchtet und zwar so hell, wie ich will. Kein Blenden, kein Spiegeln, kein Bettnachbarwachhalten, keine Insektenfalle.
- Über Schriftgröße und Schriftart entscheide ich. Das ist nicht zur Befriedigung meines Kontrollzwanges wichtig, sondern zur Kompensation meiner Kurzsichtigkeit. Lesen ohne Brille ist ein Segen. Auch wenn es manchmal zu Lasten der schönen Typografie geht.
- Notizblock und Bleistift können unter dem Bett liegen bleiben, wohin ich sie beim letzten Staubsaugen gestoßen habe. Markierungen und Anmerkungen mache ich direkt auf dem Kindle. Chronologisch sortiert, automatisch mit Quellen versehen, mit einem Fingertipp durchsuchbar, leicht zu exportieren und archivieren und last, not least: leserlich.
Ironischerweise ist Literatur durch den Kindle für mich viel greifbarer geworden. Ich kann einfacher mit den Texten umgehen. Ich habe meine Lieblingsbücher immer dabei. Ich kann Freunden ratzfatz die großartigsten Stellen eines Buches vorlesen und aus meinen Lieblingszitaten endlich ohne großes Abgetippe das Archiv basteln, das ich immer wollte.
Doch Obacht: Es gibt auch Nachteile. Fiese, sogar.
- In Wirklichkeit kauft man bei Amazon nämlich keine Bücher für seinen Kindle, sondern lediglich das Recht, sie zu lesen.
- Man kann Kindle E-Books nicht verleihen.
- Und man nimmt beim Lesen auf dem Kindle in Kauf, dass Amazon weiß, was man liest. Und wie schnell. Und wann. Und wie oft.
Die Google-Suche kennt Rezepte, diesen Grusel zu beenden. Aber um die Kochen zu können, muss man technisch versiert sein und darf sich vor dem bisschen Geraffel, dass das mit sich bringt, nicht fürchten.
Und nicht vor dem Fortschritt. Wir haben 3.000 Jahre auf Papier geschrieben und manchem ist nicht wohl bei dem Gedanken, der Nachwelt zeitgenössische Texte in einem DRM-kodierten Dateiformat zu hinterlassen, dass in 20 Jahren niemand mehr öffnen kann. Ich sehe das ein. Meine Lieblingsbücher kaufe ich mir zusätzlich auf Papier. Aber nur, weil ich mit gern mit ihnen umgebe. Datenträger-Romantik.
PS: Mit meiner Begeisterung bin ich ein bisschen spät dran. Mancherorts wird schon das Totenlied der Geräteklasse angestimmt. Sehr wahrscheinlich von Menschen, die den Lesekomfort auf einem E-Ink-Display noch nie erfahren durften. So traurig.
Ein Gedanke zu „E-Ink-Ergonomie-Extase“
Kommentare sind geschlossen.