Ich sehe es ein, es war eine naive Hoffnung, dass ich von einer Nominierung zur Ice Bucket Challenge verschont bleiben könnte. Statt jedoch ein Video zu produzieren, in dem ich mir krietschend einen Eimer Eiswasser über den Schädel kippe, schreibe ich diesen Text. Ich bin ein Spielverderber.
Ich möchte geradeheraus schreiben dürfen, dass ich die Ice Bucket Challenge kacke finde. Ich will schreiben dürfen, dass ich sie für die perfideste Kreuzung des nicht tot zu kriegenden esoterischen Prinzips Kettenbrief mit allem halte, was man an sozialen Netzwerken hassen kann. Als da wären Selbstdarstellerei, Möchtegern-Coolness und die Dämlichkeit des Schwarms, der in seiner Verzweiflung keine Chance auslassen darf, ein Fitzelchen Aufregung in sein langweiliges Leben zu bringen. Allerdings geht es bei der Ice Bucket Challenge um einen guten Zweck. Und deshalb darf man das natürlich nicht schreiben. Man darf das nicht einmal denken. Schließlich hilft die Challenge den Patienten die an ALS erkrankt sind, ihren Familien und denjenigen, die nach einer Heilung für die Krankheit suchen. Welche Krankheit?
Wofür steht ALS eigentlich? Okay, ist ja egal, aber: Was ist ALS? Also: Was richtet die Krankheit im Körper an? Wie viele erkranken daran? Was hat die Forschung in den letzten, sagen wir mal, 30 Jahren zu einer Heilung beitragen können? Wieviel Geld hat die Challenge inzwischen zusammengetrommelt? Steht die Forschung vor einem Durchbruch? Keine Ahnung.
Und darum geht es auch irgendwie nicht mehr. Von den jeweils 10 Ice-Bucket-Videos, die ich mir auf YouTube und Facebook heute reingezogen habe, ist in genau zweien davon die Rede, an welche Organisation überhaupt gespendet wurde. In sieben von 20 Videos wird der gute Zweck immerhin erwähnt, in vieren davon allerdings tatsächlich nur als „guter Zweck“. Die restlichen 13 beinhalten auf der Tonspur nur ein mir obskur gebliebenes „Danke für die Nominierung“, danach fürchterliches Gegacker und zum Abschluss drei Namen. Um ALS geht es da kein bisschen. Es geht nicht darum, ein Bewusstsein für irgendwas zu schaffen, Mitgefühl auszudrücken oder andere dafür zu motivieren, Gutes zu tun. Es geht ums Crazysein. Und weil das Crazysein in einen feinen guten Zweck gewickelt ist, darf man nicht darauf spucken. Deshalb erlauben sich auch Promis (Fischers Helene, Pochers Olli und Özdemirs Cem, um nur ein paar der hiesigen Sternchen zu benennen) crazy zu sein. Ich spucke trotzdem darauf. Den einen geht es ums Image und den anderen irgendwie auch, wenn auch auf einer anderen Ebene.
Ich werde nicht für die ALS-Association spenden, weil die unterschiedlichen Quellen zufolge inzwischen mehr als 100 Millionen Dollar mit der Kampagne eingenommen hat und ich finde, dass man in der Erforschung einer einzelnen Krankheit mit diesem Betrag einige Jahre hinkommen sollte. Ich spende jeden Monat einen festen Prozentsatz meines Gehalts. Ich habe mir gut überlegt, wofür ich spende. Ich spende, weil ich es ungerecht finde, dass ich so reich bin, wie andere niemals werden könnten. Und ich spende weil ich dazu beitragen möchte das Verhältnis dieser Gesellschaft gegenüber Tieren zu verändern. Ich tue dies nicht für den Applaus sondern zur Beruhigung meines Gewissens. Und weil es funktioniert, werde ich es weiterhin so handhaben.