Amsterdam

Kurzurlaub in Amsterdam. Drei Tage, weil wir drei Jahre zusammen sind. Eine gute Idee. Weil man über Amsterdam ja soviel gutes hört. Und weil sich Vorfreude ja so gut anfühlt. Besonders dann, wenn sie sich nicht in erster Linie auf ein besonderes Ereignis, sondern das Ausbleiben besonderer Ereignisse – dem Denken spezieller Gedanken nämlich – bezieht. So eine Reise lenkt ab. Auch die Vorfreude auf sie.

Eine weniger gute Idee ist es hingegen, diese Vorfreude mit anderen zu teilen. Das jedenfalls ist meine Erfahrung. Die erste Reaktion auf das Wort Amsterdam ist nämlich in der Regel das Wort Coffee-Shop. Und dieses Wort war wie ein Virus, der vom Mund meines Gegenüber in mein Ohr kletterte und sich dort einnistete, um von Zeit zu Zeit widerzuhallen. An jeder Ecke hier gibt es Coffee-Shops. An jeder einzelnen Ecke. Und ob man nun diesen Virus im Ohr hat oder nicht: Die erwachte Neugier nimmt den Kampf gegen die Vernunft auf. Und letztere hat nicht viel Rückenhalt: Kiffen ist legal hier. Der Geruch gehört zum Stadtbild. Weed rauchen zum guten Ton.

Ach ja, die Stadt. Diese Stadt! Unglaublich. Ich fürchte, zum Sightseeing werden wir nicht kommen. Die exostischsten Geschäfte bilden endlose wunderschöne Gassen, zahllose Kanäle gaukeln dennoch Weite vor, gemütliche Cafes versüßen ohnehin zuckersüße Stunden und freundliche, hilfsbereite Menschen bevölkern das Ganze mit lockerem, leichtem Leben. Selten hat mich eine Stadt so fasziniert, so in ihren Bann gezogen, so schnell so mein Herz erfüllt, wie diese hier. Selten habe ich mich auf Anhieb so wohl gefühlt irgend wo, so kräftig und froh.

Nur die Coffee-Shops machen mir Angst. Mal sehen, wie lange noch.

be water my friend

Da ist so mein merkwürdiges Gefühl gewesen, das mich in den letzten Tagen begleitet hat. So ein Gefühl, eine Ahnung. Wie ein Gewitter, kurz vor seinem Entstehen. Wie eine Idee, Sekunden vor ihrer Geburt.

Nun, ich weiß jetzt, dass es wohl keine große Erkenntnis war, keine, die obigen Trommelwirbel rechtfertigen würde. Aber immerhin eine, die es mir wert ist sie niederzuschreiben, wenn auch nur, um sie später nachschlagen zu können:
Vor Jahren ist mir mal ein Ausspruch von Bruce Lee begegnet. Damals klang er schön. Ich habe ihn aufgeschrieben. Heute habe ich ihn wiedergefunden. Heute habe ich ihn verstanden:

“I said: empty your mind, be formless, be shapeless, like water. And you put water into a cup it becomes the cup. You put water into a bottle it becomes the bottle, you put it into a teapot it becomes the teapot. Now water can flow or it can crash. Be water my friend!”

Ich weiß nicht, wie plausibel das ist. Ich weiß nicht, wie deutlich für andere. Für mich hat das viel mit Tao zu tun. Mit Fließen-lassen. Mit Sich-hingeben. Damit, frei von Erwartungen und Ängsten aufs Leben zu zugehen. Aber wie das bei allen Dingen ist: Eine Erkenntnis wird nicht durch ihr bloßes Erfahren wertvoll, sondern erst durch ihr Erleben. Es genügt nicht, das höchste Wissen zu wissen, man muss es auch (und vor allem) fühlen.

Und was ich gerade fühle ist diese merkwüdige Flüchtigkeit. Ich weiß nicht, ob die mich auszeichnet oder ein kollektives Phänomen ist. Dieses Theoretisch-alles-sein-können. Dieses Eigentlich-nichts-sein. Zu wissen, dass es ich eigentlich nicht gibt. Weil es jeden Tag anders ist. Weil jeden Tag Vergangenheit verloren geht und die Zukunft dazu kommt. Weil ich so stark von meiner Umgebung abhänge. Weil ich anderswo jemand anders wäre. Vielleicht kann ich das morgen erklären.