Jörg Meuthen hat gestern anlässlich des deutschen Nationalfeiertags ein Video veröffentlicht, in dem er seine Sorge um unser Vaterland zum Ausdruck bringt. Auf Twitter erntet das Video viel Spott wegen der pseudo-staatsmännischen Aufmachung und den zugegeben irritierend lauten Mund- und Speichelgeräuschen Meuthens. Trotzdem lohnt sich das Zuhören.
Alexander Gauland sagte letzte Woche in einem Interview mit der Welt am Sonntag, dass die Kritik an den Klimaschutzmaßnahmen nach dem Euro und der Flüchtlingspolitik das neue große Thema der sog. AFD sein werde. Meuthens Interview ist dafür der erste Beweis. Und die dahinterliegende Strategie ist clever.
Meuthen spricht über Freiheit. Darüber, wie sie die Ostdeutschen vor 30 Jahren erkämpften, darüber wie sie jeden Tag neu erkämpft und verteidigt werden müsse. Darüber was sie wert ist, wie sie uns ausmacht, wie sehr sie uns fehlen würde. Und natürlich darüber, wie sehr sie in Gefahr sei.
Die Fridays for Future Demonstranten haben – er sagt zweimal Gott sei dank – nichts anderes als Freiheit erlebt. Deshalb merkten sie wahrscheinlich gar nicht, wie sie sich in eine selbstgewählte Untertdrückung begeben indem sie sich und anderen (jetzt wird es ein klein wenig paradox) freiwilligen Verzicht verordnen. Durchkommen lassen dürfe man sie damit freilich nicht – auch in ihrem eigenen Interesse.
Meuthen ist nicht gegen Klimaschutz, er ist für Freiheit. Und darüber, dass Freiheit für alle super ist, gibt keine zwei Meinungen, nirgends. Und darüber, dass Freiheit für die Deutschen mit Blick aufs letzte Jahrhundert ein mentalitätsprägendes Thema war ebenso wenig. Deswegen glaube ich, dass die Strategie der Partei, nicht mehr gegen Wasauchimmer zu sein sondern ab sofort für Freiheit, verfangen könne.
Die etwas herbere Schwester der ach-gott-wie-lieblichen Freiheit erwähnt er natürlich mit keiner Silbe: Sie heißt Verantwortung und sie läuft ganz vorne bei den Fridays for Future Demos. Sie ist ernst und sie wird wütend und hinterhältig, wenn man sie in entscheidenden Momenten ignoriert.
Dieses Bild muss man parat haben, wenn man in den nächsten Monaten mit Anhängern der sog. AFD spricht. Und ja, ich finde noch immer, dass man das sollte; dass man das muss.
Wer Freiheit will muss Verantwortung tragen und vernünftig sein. Und es ist weder verantwortungsvoll noch vernünftig, wie wir Auto fahren, wie wir heizen, was wir in Plastik einschweißen, wie viel wir fliegen und wie sorglos und selbstzufrieden wir von Kreuzfahrtschiffen in die Häfen winken.
Das ist ja das paradoxe am freiwilligen Verzicht. Man kann ihn nicht verordnen. Man muss ihn üben nachdem man zur Vernunft gekommen ist. Einfach nicht zur Vernunft zu kommen ist aber keine Option, dafür wird die Verantwortung sorgen.
“Deutschland einig Vaterland” und “Vaterland” waren nicht die Rufe die wir, die ich, damals gerufen habe. Ich verbitte mir das, Herr Meuthen. Diese Sprüche kamen erst viel später und waren an die Hoffnung einer schnellen, sorglosen finanzielle Wiedervereinigung gerichtet. Und genau jene, die so einen Unsinn glaubten und mit schwenkenden Fahnen in Schneejeans riefen, waren danach bitter enttäuscht und liegen jetzt in Ihrem Sammelbecken der Gescheiterten. Uns ging es damals um ganz andere Dinge! Aber das verstehen Sie nicht.
Übrigens, wenn aus Ihnen ein Staatmann werden sollte, verlasse ich umgehend das Volk, das Sie so herzlich gern regieren möchten. Pustekuchen. Dann läuft das Volk zur Abwechslung vor Ihnen weg und nicht vor Honecker.