Heute sind 5,3 Millionen Katalanen aufgerufen zu entscheiden, ob sie weiterhin zu Spanien gehören wollen oder eine unabhängige Republik Katalonien ausrufen. Die spanische Regierung hatte das Referendum verboten und geht hart dagegen vor: es wurden Druckereien abgeriegelt, es wurden Wahlzettel und -urnen beschlagnahmt, es wurden und werden Wahllokale blockiert. Zur Stunde gibt es gewaltsame Ausschreitungen zwischen Wählern und der Polizei, bei denen auch Blut fließt. Die spanische Regierung beruft sich darauf, dass die Unteilbarkeit des spanischen Staates gesetzlich verankert sei. Das Referendum ist damit verfassungsfeindlich.
Logischerweise ist es das. Eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens bedeutet das Ende des spanischen Staates in seiner bisherigen Verfasstheit und den Verlust einer territorial und vor allem wirtschaftlich bedeutenden Region. Sie widerspricht damit naturgemäß der Verfassung des Staates Spanien. Wer aber ist der Staat?
Ein Staat ist eine Institution zum Schutz der in ihm Lebenden. Er hat die Aufgabe, wirtschaftliches und soziales Leben innerhalb seines Territoriums durch Gesetze zu regulieren und ist legitimiert, Verstöße entsprechend zu ahnden. Er betreibt grundlegende Daseinsvorsorge, organisiert ein Gemeinwesen und vertritt wirtschaftliche und politische Interessen seines Volkes nach außen. Legitimiert, finanziert und kontrolliert wird ein demokratischer Staat in all dem einzig und allein vom Volk – also den in diesem Staat lebenden Menschen.
Wenn sich ein Teil dieser Menschen nun entschließt, einem Staat nicht mehr angehören zu wollen, hat dieser Staat dann das Recht, sie mit Gewalt an einem Austritt zu hindern? Das Recht hat er offenbar, siehe spanische Verfassung. Ist es aber richtig, dieses Recht durchzusetzen? Den übrigen Spaniern würde es finanziell, seelisch und territorial weh tun, Katalonien zu verlieren. Die Katalanen allerdings gewaltsam zu zwingen, weiterhin einen Staat zu legitimieren, mit dem sie sich nicht länger identifizieren, kommt mir nicht rechtens vor, sondern kaputt. Zumal es um den Austritt ja noch gar nicht geht sondern lediglich um eine Willensbefragung der Bevölkerung.