Zuweilen habe ich mich in meinem Kunststudium sehr gelangweilt. Insbesondere in Vorlesungen, in denen seelenlose Kunstwerke besprochen wurden. Anfangs habe ich mich dafür sehr geschämt. Wer bin denn ich, die Qualität eines Kunstwerkes zu beurteilen? Bitte was ist denn die Seele eines Kunstwerkes? Je mehr Arbeiten ich selbst produzierte, umso klarer wurde mir: Gute Kunst ist keine Frage des Geschmacks, sondern eine Frage der Qualität. Deshalb schreibe ich heute Texte. Und deshalb kann ich versuchen zu erklären, woran man gute Kunst erkennt. Ich verspreche: Es ist einfacherals angenommen.
1. Hat das Kunstwerk eine offene Tür?
Es klingt banal, aber es ist wichtig als Ausgangspunkt: Bildende Kunst entsteht aus dem Bedürfnis, sich auszudrücken. Aus der Dringlichkeit, ein Gefühl zu kommunizieren, einen Gedanken zu teilen, eine Frage zu stellen. In größeren Werken geht es oft darum, Zugang zu einer Innenwelt zu schaffen, eine neue Sichtweise vorzuschlagen, bestenfalls eine andere Wirklichkeit. Gute Kunst erkennt man an ihrer offenen Tür. Daran, dass sie den Betrachter rein lässt, wenn der Interesse an der Arbeit zeigt. Daran, dass sie es schafft, ihren Kern zu transportieren. Also ein Gefühl auszulösen, einen Gedanken, eine Frage, eine Ahnung wenigstens. Gute Kunst muss ohne Erklärung funktionieren. Ob sie sich ganz erschließt hängt, immer auch vom Betrachter ab. Ob sie sich erschließen will, allein vom Künstler.
Wenn ich mit Menschen über Kunst spreche, höre ich oft: „Ich verstehe davon nichts. Ich habe keine Ahnung.“ Mich regt das auf. Kunst, die dem Betrachter das Gefühl vermittelt zu dumm zu sein, ist schlechte Kunst. Keine Ahnung zu haben ist nämlich die perfekteste aller denkbaren Verfassungen, in der man einem Kunstwerk gegenüber treten kann. Wenn das Kunstwerk trotz Deines vorbehaltlosen, offenen Blickes nicht anfängt von sich zu erzählen, wende dich ab. Du bist nicht dumm. Das Kunstwerk ist arrogant.
2. Passt das Kunstwerk in einen Text?
Mit persönlichem Geschmack hat das wenig zu tun. Viele Kunstwerke, die mich sehr abstoßen halte ich für außerordentlich gut. Es geht nicht um schön oder hässlich. Es geht um Wahrheit oder Hülle. Ich habe nichts dagegen, wenn es eine Erklärung zum Kunstwerk gibt. Als Ergänzung, als Hintergrund oder Einordnung. Man darf dieser Erklärung nicht übel nehmen, dass sie eine Krücke ist: Naturgemäß ist sie unvollständig. Zumindest dann, wenn sie gute Kunst beschreibt. Kunst, die mit einem Text ganz und gar erklärt werden kann, ist schlechte Kunst. Sie ist nichts anderes, als ein verkleideter Text. Sie wäre besser ein Text geblieben.
Jeder Kern hat das Recht auf das passende Medium. Manche Frage muss in einem Text gestellt werden, manches Gefühl verlangt ein Lied und manchen Moment hält man am besten mit einem Foto fest. Natürlich kann man Texte über Bilder schreiben oder über Musik. Aber diese Texte können niemals das Bild sein und auch nicht der Song. Beim Transport eines Kerns von einem Medium in ein anderes geht immer etwas verloren. Etwas Wesentliches. Und es kommt etwas dazu. Etwas, das überflüssig ist.
Warum ich das schreibe?
Weil ich überzeugt davon bin, dass es wahr ist.
Weil ich den Eindruck habe, dass zu viele Menschen Angst davor haben, schlechte Kunst auch so zu nennen.
Und weil ich dachte, es hilft vielleicht bei der Beurteilung der Entwürfe für ein Leipziger Einheitsdenkmal.
Hier entlang zum Siegerentwurf. Und bitte hier entlang zum Drittplatzierten. Eiligen Lesern empfehle ich jeweils den Absatz: Kurzbeschreibung.
Es tut gut das zu lesen!
Im “Didaktiker-Deutsch” gibt es den fürchterlichen Begriff der Formal-ästhetischen Analyse eines Kunstwerks. Mit dieser Methode jedoch schafft man es, dass Professor und Putzfrau zusammen – und egal welcher Vorbildung – ziemlich schnell verstehen, was ihnen die jeweilige “Kunst” sagen oder auch nur flüstern will. Und wer das ein bisschen geübt hat, findet seine Zugänge zur Kunst spielend. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und kann sie auch ganz selbstbewusst vertreten und sogar vergleichend einbringen.
Zuerst beschreibt man mal möglichst nüchtern, ohne Anmutungen, was man sieht.
Dann beschreibt man die Anmutung. Bringt man das eine mit dem anderen zusammen, reicht das manchmal schon. Wer dann aber noch will, macht sich schlau, wann und wo und wie der Künstler lebt bzw. lebte und welche “Zeit” um ihn herum ist ode war. Spätestens dann kommt man der ganzen Sache auf die Schliche und zwar profund. Mir hat das immer unendlich Spaß gemacht, wenn dieser Momente des “Klar!” über alle möglichen Gesichter huschte. Und mir macht es immer noch Freude, so das doch “sehr schlicht” daherkommende Kunstwerk zu entlarven.
Und insofern ist Kunst natürlich auch immer ein anderer Code als Sprache. Aber es ist eben kein allgemein gültiger Code, sondern lediglich der Versuch etwas, was einen als Künstler bewegt in einer anderen Form als Sprache auszudrücken. Zumindest sollte es so sein. Und die Neugier, dies zu verstehen, das sollten sich Künstler halt auch mal klar machen, ist eben nur partiell vorhanden. Vor allem aber erst dann, wenn die Anmutungen der Betrachter zum Klingen kommen. Insofern also gibt es tatsächlich riesige und teure Kunstwerke, die häufig als “dropsculpture” im öffentlichen Raum zu finden sind, die noch nicht mal mehr banal sind, sondern einfach nur größenwahnsinnig und leer.
Ich war vor kurzem bei einem Atelierbesuch im Atelier von
http://jankilianboettcher.de/
an einer sehr lebhaften Diskusion zu diesem Thema beteiligt.
Seit dem finde ich es sehr interessant, da es ja doch viele Kriterien gibt. Ich habe es im Atelier des Künstlers interessant gefunden das er Kunst an sich in seinen Werken hinterfragt und Jan Böttcher hat daraufhin gesagt, dass viele Künstler langweilig sind, weil sie nur das tuen. Es gibt viele Betrachtungsseiten. Weiter so. Ich finde das mit der offenen Tür gut, aber ich persönlich erwarte keine Wahrheit von der Kunst, höchstens Wahrhaftigkeit.