Where you end and I begin 2

Ich fühlte mich unwohl. Kurz vor der Eröffnung wurde mir klar, dass mir (und uns) jemand oder etwas das Zepter aus der Hand genommen hatte.

Der Ausstellungsraum war leer und klar. Eine Videoprojektion. Eine Bilderreihe. Ein mit Teichfolie abgedunkeltes Schaufenster. Weiße Wände. Ich lief Runden durch die Galerie und suchte nach einem Fetzen von der Schrulligkeit die Manu und ich so schätzten. Ich suchte nach einem Schnipsel Gemütlichkeit, einem Fleck Wärme. Da war nichts.

Mein Blick wanderte durch die Galerie und ließ mich schaudern vor dem Eindruck, dass wir offenbar nicht so schrullig, gemütlich und warm waren, wie wir zu sein glaubten. Das hier war eine ernste, durch Neonlicht zusätzlich abgekühlte Ausstellung, deren Heftigkeit darin lag, dass ihre Arbeiten ohne ästhetische Umwege, ohne gedankliche Weitläufigkeiten, ohne Rücksicht trafen.

In diesem Moment kurz vor der Eröffnung war die Anwesenheit einer Dritten Person – Gott? Kunst? Dem Universum? – greifbar, und das gruselte mich, weil Manu und ich diejenigen sein würden, die für das Werk auch dieser dritten Kraft stehen würden. Es ging mir nicht um Verantwortung in dieser Sekunde. Nicht in erster Linie. Es ging mir um den Zweifel an meiner eigenen Autorenschaft. Oft schon habe ich Künstler sagen hören, dass sie sich als Kanal fühlten für jemanden oder etwas der sich über sie ausdrücke. Auch ich kenne dieses Gefühl schon. In dieser Intensität aber, in einem solchen Erschaudern, einer solchen Überforderung mündend war es mir völlig neu und eindeutig zu heftig.

Es wurde von einigen Besuchern als zynisch empfunden an diesem Abend Sekt auszuschenken und es schien beinahe albern, dass ich mir im Vorfeld Gedanken darüber gemacht hatte wie ich die Beschallung des fröhlichen Teils des Abends organisieren könnte. In dieser Sekunde war klar, dass heute niemand tanzen würde.

Viermal an diesem Abend musste ich die Galerie verlassen, weil ich mich dem, was darin statt fand nicht gewachsen fühlte. Streckenweise erhielt das Video eine Intimität, der ich nicht standhielt. Streckenweise glaubte ich in der Reaktion der Betrachter so viel über sie lesen zu können, dass meine bloße Anwesenheit voyeuristisch wurde. Sicher, ein ungefähres Dutzend Besucher betraten und verließen die Galerie binnen zwei Minuten. Viele andere jedoch blieben und sahen sich den Film an, nicht wenige sogar mehrmals. Eine Besucherin weinte.

Dennoch: Ich kann mich an keinen Moment in meiner künstlerischen Auseinandersetzung erinnern in dem ich so tief begriff, was Kunst leisten konnte. Für mich war dieser Abend ein Endgegner. Das hier ist ein neues Level.