wundert sich. Heute über: Jogger

Ich kann das mittlerweile unumwunden zugeben: Das Konzept Sport ist mir von Grund auf suspekt. Viele Jahre habe ich das verborgen, damit ja nicht der Eindruck entsteht, ich sei faul und träge. (Was ich – auch daraus muss ich keinen Hehl mehr machen – zweifellos bin.) Dann habe ich einige Dinge begriffen.

Erstens: Mein Fahrrad. Es bringt mich zuverlässig, unabhängig und sehr preiswert von A nach B plus obendrein gelegentlich ziemlich aus der Puste. Aus Verlegenheit behaupte ich manchmal, Fahrradfahren sei mein Sport. In Wirklichkeit ist es lediglich meine präferierte Art der Fortbewegung aus Gründen.

Zweitens: Meine Hündin. Wenn ich die von der Leine mache, wird selbst dem wenig ambitionierten Beobachter schnell klar, dass Milda keineswegs ziellos umherstreunt. Sie erkundet das Revier, markiert dessen Grenzen und jagt. Zurück in der Wohnung verfällt sie in eine Art Standby-Modus der sich meist in einer etwas modifizierten Form der stabilen Seitenlage abspielt, die über Stunden hinweg reglos gehalten werden kann.

Neulich habe ich (es könnte in einem Prospekt für Rückentraining gewesen sein) gelesen, dass der Mensch in Wirklichkeit ein Läufer ist. Demzufolge sei es alles andere als überraschend, dass wir wegen unseres ewigen Rumgesitzes Rückenschmerzen bekämen und fett würden.

Vor einigen Minuten nun kam mir ein halbnackter, knackebrauner, stränchenblondierter Mann auf der Straße entgegengejoggt, der sich wahrscheinlich nur deshalb erlaubt hat, so ungeniert zu keuchen, weil die Knöpfe in seinem Ohr seine Atemgeräusche mit dem taufrischsten Pop übertönt haben.

Ich könnte den jungen Mann nun dafür bewundern, dass er seiner Natur gerecht wird, in dem er seine Stadt im Laufschritt erobert. Tatsächlich: Er war weder fett, noch würde ich ihm Rückenschmerzen zutrauen. Ich kann mich aber ebenso begründet darüber wundern, dass er sich diese völlig willkürlichen Energieverschwendung ohne Not zumutet.

Ich kenne zahlreiche joggende Menschen. Ich habe jeden einzelnen gefragt, warum er das tut. Gern wird die Tortur mit dem guten Gefühl danach begründet. Selbiges hat sich im mehrfachen Selbstversuch bei mir zwar nicht eingestellt, wurde von Personen meines Vertrauens jedoch glaubhaft versichert.

Mir kommt das trotzdem komisch vor. Ich finde, wir sollten Wege erledigen. Dinge besorgen. Freunde besuchen. Wir sollten unser Revier erkunden, meinetwegen auch markieren. Ich finde, wir sollten jagen. Gute, gesunde Lebensmittel. Und zwar zu Fuß. Oder mit dem Rad. Von mir aus.

Es kann doch nicht angehen, dass die selbst ernannte Krone der Schöpfung die Energie einer Haupmahlzeit damit verbrennt, kilometerweit im Kreis zu rennen, um sich ein gutes Gefühl danach zu bescheren.