7 mins & me: Eine Leibesgeschichte

Nein, ich würde mich nicht als unsportlich bezeichnen. Ich will niemandem zu nahe treten, aber ich muss ja bei der Wahrheit bleiben: Ich fand mich immer zu klug für Sport. Mit dem Gesichtsausdruck eines lasagnesatten Garfield betrachte ich von der sonnigen Tribüne aus die armen Schweine, die sich im Schweiße ihres Angesichts auf den Spielfeldern, Laufbändern und Fitnessgeräten quälen. Und mit ehrlichem Interesse frage ich mich: Warum machen die das? Es gibt so viel Aufregenderes und Sinnvolleres als Sport!

Umfragen in meinem Freundeskreis haben ergeben, dass man Sport macht, weil man sich danach besser fühlt. Ich bin sozialistisch erzogen und deshalb skeptisch gegenüber dem katholischen Gedanken, jetzt richtig zu leiden um es danach schön zu haben. Fußball spielen manche Menschen, weil es ihnen Spaß macht, während sie es tun. Die für diesen Spaß zuständige Hirnregion wurde bei mir jedoch wegen Sauerstoffmangels bei der Geburt vom unnatürlich großen Zentrum für Lustempfinden beim Genuss zucker- und fetthaltiger Lebensmittel irreversibel zerstört. Ich kann da nix für.

Aber ich muss dafür bezahlen. Jeden Sommer. (Im Winter gibt’s Rabatte in Form von weiten Wollpullis.) An mir war schon immer alles weich und mich stört das. Meine Hausärztin sagt, dass ich 15 Kilo zu schwer bin; ich nicke seufzend. Die natürliche Form meines Körpers ist die einer Birne auf zwei Beinen. Das ist nicht ungewöhnlich aber doch ein Stückchen weg von meinen Vorstellungen. Ich kämpfe also hartnäckig, und zwar gegen meine Birnenform und meine kaputten Vorstellungen. Meine Freundin Caren sagte einmal, dass man aussieht wie man ist. Ich mag keinen Sport. Ich esse gern. Ich reiße mich ein bisschen zusammen. Voila: So sehe ich aus.

Aber ich war eben nie fit. Okay, letztes Jahr bin ich 100 km am Stück laufen, aber das war eine einmalige Angelegenheit. Im Gegensatz dazu sitze ich jeden Tag 8 Stunden an Schreibtischen und liege weitere 6 im Bett. Nicht mal ich kann mir einreden, dass ich damit der natürlichen Bestimmung meines Körpers gerecht würde. Ich habe Joggen versucht, und es von der ersten Minute an leidenschaftlich gehasst: Wie langsam man vorwärts kommt; wie alles wackelt; wie einem der Schweiß in die Augen läuft! Ich habe Schwimmen versucht, bis ich angesichts der Öffnungszeiten der Leipziger Schwimmhallen zeitlich und vor Lachen nicht mehr konnte. Im Fitnessstudio bin ich nie gewesen, dafür bin ich zu genant. Aber ich habe versucht, zu Hause unterschiedliche Übungen zu machen. Alle waren sehr, sehr langweilig. (Setzt sein Soap-Opera-Werbeunterbrechungs-Lächeln auf und haucht:) Dann habe ich 7-Minute-Workout entdeckt. Seitdem ist mein Leben viel besser geworden.

7-Minute-Workout ist eine Form des Zirkeltrainings, das heißt: Du absolvierst in kurzer Abfolge verschiedene Übungen und am Ende hast du alle Muskelgruppen trainiert.

Besonders am 7-Minute-Workout sind drei Dinge:

  1. Du kannst es zuhause machen, weil du lediglich eine Wand und einen Stuhl oder Hocker brauchst. Die Übungen sind nicht sehr kompliziert; alte Bekannte wie Liegestütze, Rumpfbeuge und Kniebeuge (ich meine natürlich: push-ups, crunches und squats) gehören dazu. Eine begleitete Einführung wie beim Yoga ist also überflüssig.
  2. Das Training ist relativ schnell erledigt, wobei ich gestehe, dass die namensgebenden 7 Minuten doch sehr optimistisch sind. Das Workout besteht je nach Einstellung aus 12 bis 15 Übungen, die du 30 Sekunden lang absolvierst. Zwischen zwei Übungen hast du 10 bis 15 Sekunden Pause um die nächste Ausgangsposition einzunehmen. Nach 7 Minuten bist du fertig. Und zwar auch körperlich. Das bringt uns zu:
  3. Die Erfinder sagen, du sollst so trainieren, dass das Training auf einer Anstrengungsskala von 1 bis 10 eine deftige 8 markiert. Nur dann bringt’s auch was. Und, oh ja: Es bringt was.

Die App, die ich als Taktgeber benutze war standardmäßig auf 3 Übungsdurchgänge eingestellt und ich habe das in einer Mischung aus Ehrgeiz und Wahnsinn so gelassen. Anfangs habe ich statt knapp 30 Minuten zwar 45 gebraucht, weil ich die App immer wieder anhalten musste, um Luft zu schnappen und mich über meine gnadenlose Überforderung kaputt zu lachen. Inzwischen komme ich einigermaßen durch, auch wenn mir noch jedes Mal der Schweiß von der Nasenspitze tropft.

Erledigt.
Erledigt.

Was mich wirklich erstaunt (und deshalb schreibe ich diesen Blogpost) ist, dass es ein „inzwischen“ gibt. Ich mache das Workout seit Ende Dezember. Und zwar vier bis fünfmal die Woche. Das ist ein Breakthrough historischen Ausmaßes, meine sehr verehrten Damen und Herren, jedenfalls in meiner Welt. Wie konnte es passieren, dass ich selbst zu einem dieser „armen Schweine“ aus dem ersten Absatz wurde? Auch drei Gründe, glaube ich:

  1. Jede Übung dauert nur 30 Sekunden. Einmal kurz beißen und dann ist es schon vorbei. Nach einer Übung bin ich völlig damit ausgelastet die Ausgangsposition für die nächste einzunehmen. Die ist dann wieder so anstrengend, dass ich überhaupt nicht dazu komme, genervt zu sein oder gelangweilt oder gedanklich irgendwo anders als bei meinem Atem. Fokus!
  2. Nach 30 Minuten bin ich durch. Okay, das Duschen muss man noch dazurechnen, denn es ist anschließend bitternötig. Aber es gibt keine Anfahrt, keine Heimfahrt und keine Öffnungszeiten, nach denen ich mich richten müsste.
  3. Mir bringt es wirklich viel. Den kompletten Januar über hatte ich Muskelkater und zwar überall. Inzwischen fühle ich mich unwohl und zappelig, wenn ich mal nicht dazu komme, das Workout zu machen. Ich habe bessere Laune, ein besseres Körpergefühl und weniger nervöses Zucken. Noch nie war ich so fit.

Mein Körper verändert sich; das tun Körper ständig, aber selten hat es mir solchen Spaß gemacht wie diesmal. Mein Körpergefühl ändert sich auch. Ich werde fester und – kann man das so sagen? – elastischer. Bevor ich aber ins peinliche Detail abrutsche, empfehle ich den Selbstversuch:

  • Hier eine Web-App, mit Hilfe derer du sofort loslegen kannst.
  • Falls du vorher noch ein paar objektivere Fakten zum Training lesen willst, hier ein wissenschaftlicher Essay der Erfinder (englisch).
  • Und falls dich das Wissenschaftsenglisch nervt, hier der den Hype (ja es gibt einen) auslösende Artikel aus der New York Times.

Jetzt aber: Schpocht frei!

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